„Forever young – egal wie!“ – Jovana Reisinger schickt in ihrer Videoarbeit drei perfekt gestylte junge Menschen auf die Suche nach einem Brunnen, der ewige Jugend und Schönheit verspricht. Über das Lebensgefühl einer Generation zwischen Jugendwahn, schicker Outdoor-Kleidung und Instagram.
Perfekt ausgestattet mit praktikablen wie stylischen Trekkingoutfits, unzähligen Multifunktionstaschen und natürlich dem obligatorischen Wanderschnaps streifen die drei Freund*innen Romy (Julia Riedle), Magda-Gustav (Benjamin Radjaipour) und Karl-Heinz (Thomas Hauser) durch idyllische Berglandschaften. Nebelschwaden ziehen sich von den Gipfelspitzen zurück, Vögel zwitschern fröhlich, eine Kuhglocke bimmelt unaufgeregt vor sich hin und ätherische Synthesizer-Klänge vervollkommnen das Bild einer in sich ruhenden Naturlandschaft, in der der Mensch noch zu sich finden kann.
Die drei Freund*innen sind indes nicht zur Entspannung und Selbstfindung auf der Alm. Vielmehr suchen sie, auf den Spuren von Kaiserin Elisabeth und König Ludwig II, einen in geheimen Quellen erwähnten Jungbrunnen, der ewige Jugend und Schönheit bereithält, denn: „Nur wer schön ist, hat Glück im Leben!“, wie Magda-Gustav zusammenfasst. Doch die Suche nach dem Jungbrunnen ist ein Leichtes nicht, ist doch vom Quell ewiger Jugend weit und breit nichts zu sehen. So entstehen unter den drei Protagonist*innen immer wieder kleine Dialogszenen, angesiedelt zwischen ironisch gebrochenem Slogan-Dropping, Meta-Reflexionen und überspitztem Pathos, wiederholt unterbrochen von kurzen Sequenzen, in denen makellose Naturaufnahmen digital verkitscht werden.
„‚Unterwegs im Namen der Kaiserin. Prequel‘ ist ein Film über Fashion, Liebe, (Anti-)Heimat, Kapital und Schönheit“, fasst die Regisseurin Jovana Reisinger ihre neue Arbeit zusammen. Und so rekurrieren nicht nur die Titelgestaltung und die Namen der Protagonist*innen (allesamt Schauspieler*innen-Namen der bekannten „Sissi“-Trilogie) auf Heimatfilme, auch die repetitiven, hölzernen Szenen und der pathetische Jargon verweisen auf ebenjenes Filmgenre. Diesen Jargon allerdings glaubhaft vorzutragen, damit haben auch Romy, Magda-Gustav und Karl-Heinz sichtbare Probleme, verfällt doch der oder die andere immer wieder in schallendes Gelächter beim Vortragen der Worthülsen – woraufhin die Szene kurzerhand so lange wiederholt wird, bis sie zumindest ein wenig sitzt.
‚Unterwegs im Namen der Kaiserin. Prequel‘ ist ein Film über Fashion, Liebe, (Anti-)Heimat, Kapital und Schönheit
In vorigen Regiearbeiten wie der vierteiligen Reihe „pretty pretty mad sad“ (2016-18) arbeitete sich die Künstlerin und Schriftstellerin Jovana Reisinger in einer an Werbeslogans und Fernseh-Ästhetik geschulten Filmsprache immer wieder an Rollenbildern und Schönheitsstandards der Leistungsgesellschaft ab; Themen, die auch ihre Romane „Still halten“ (2017) und „Spitzenreiterinnen“ (2021) durchzogen. Der Bezug auf den Heimatfilm nun, dem deutschesten aller Filmgenres, der in den 1950er Jahren mit seinen unzähligen Remakes von Filmen aus der NS-Zeit seine Blütezeit in deutschsprachigen Gefilden feierte, sei auch dem Interesse geschuldet, am Heimatbegriff selbst zu kratzen, so die in Österreich aufgewachsene Künstlerin.
Heimat, unsterbliche Schönheit und ewige Jugend – all das kulminiert dann auch zum Schluss folgerichtig in den absolutistischen Durchhalteparolen der immer noch verzweifelt Suchenden, die da am Ende erklingen: „Wir müssen weitergehen, auch wenn es das Letzte ist, was wir tun“ heißt es da, und „Lieber jung und sexy sterben, als elendig zu Grunde gehen“, während man sich zeitgleich versichert, ja schließlich nicht umsonst Multifunktionskleidung zu tragen. Und vielleicht findet im Aufeinandertreffen der Heimatfilm-Topoi auf den postmodernen Talk der ewigen Outdoor-Hipster samt ihrem nur halbironisch kaschierten Optimierungswahn das Gerne dann auch tatsächlich in konsequent zeitgenössischer Weise wieder etwas zu sich selbst.
Als weiteren Film hat Reisinger sich „Die Kinder der Toten“ (2019) von Kelly Copper und Pavol Liska ausgesucht. Das Regie-Duo hat sich bereits als „Nature Theater of Oklahoma“ in der Theaterszene einen Namen gemacht und nimmt sich in dem 2019 erschienenen Film dem gleichnamigen Roman der österreichischen Schriftstellerin Elfriede Jelinek an. Die beschäftigte sich in ihrem Opus Magnum von 1995 in postmoderner Manier (samt Untoten und Splatter-Horror) mit der Erinnerung oder viel eher der Verdrängung der Shoah.
Copper und Liska übersetzen nun die Handlung passend in eine Art Heimat-B-Movie, gedreht auf körnigem Super 8-Film mit über 80 Laiendarsteller*innen. Dabei ist „Die Kinder der Toten“ nicht als eine direkte Adaption zu verstehen, sondern vielmehr als eine filmische Annäherung an die zentralen Themen des Romans: Copper und Liska konnten die Vorlage mangels englischer Übersetzung überhaupt nicht lesen und ließen sich so Jelineks Werk nacherzählen. In Copper und Liskas greller Groteske bricht sich die verdrängte Vergangenheit schließlich gewaltsam Bahn, als bei der von einer alten Nazi-Witwe veranstalteten cineastischen Séance eine Horde Untoter eine brennende Leinwand ins Reich der Lebenden durchbricht. Und findet im Rekurs auf den Heimatfilm der Nachkriegsjahre, in dem konsequent alles verdrängt wurde, sein folgerichtiges Vehikel.