Neue Kunst in der SCHIRN Rotunde: Mit seinen architektonischen Installationen schafft der Künstler Carlos Bunga temporäre Werke, die Werden und Vergehen in den Blick nehmen und auf existierende räumliche Strukturen reagieren.
Die Schirn präsentiert vom 18. Februar bis zum 22. Mai 2022 die ortsspezifische Arbeit „I always tried to imagine my home“ von Carlos Bunga, die er eigens für die Rotunde entwickelt. Mit seinen architektonischen Installationen schafft der portugiesische Künstler temporäre Werke, die Werden und Vergehen in den Blick nehmen und auf existierende räumliche Strukturen reagieren. Seine mitunter monumentalen Konstruktionen verdoppeln den Raum, in dem sie gezeigt werden: Sie stellen sich vor Mauern, verdecken und verwandeln diese und ermöglichen somit ein Zwiegespräch der Architekturen.
Carlos Bunga charakterisiert seine Kunst als nomadisch. Instabilität des Lebensraums, Vertreibung und Migration wirken prägend auf das Werk des Künstlers, dessen Mutter wegen des Bürgerkriegs in Angola nach Portugal floh. „Mein Haus“, so der Künstler, „hat keine Türen oder Fenster, keine Treppen und keinen Garten, kein Dach und keine Zimmer, keine Stühle oder Bilder. Mein Haus, das sind die Menschen, die ich liebe“. Seine Installationen hinterfragen die Vorstellung von Sicherheit und Gewissheit der menschlichen und materiellen Existenz und setzen ihr die stetige Veränderung als einzige Konstante entgegen. Bei seinen raumgreifenden Werken arbeitet der Künstler mit einfachen Materialien wie Verpackungskarton und Klebeband. Ihre Verwendung im Alltag, meist in Verbindung mit Aufbewahrung und Transport, bildet die Brücke zur unmittelbaren Realität des Lebens. Der Aufbau erfolgt nach einem modularen Formenvokabular, integriert natürliche Materialien und greift formale Besonderheiten der Umgebung auf. Von ihrer Entstehung über die Verwitterung im Außenraum bis zu ihrer Auflösung durch den Künstler durchlaufen seine Arbeiten einen transformativen Prozess.
Mein Haus hat keine Türen oder Fenster, keine Treppen und keinen Garten [...] Mein Haus, das sind die Menschen, die ich liebe.
Für die Rotunde der Schirn entwickelt Bunga eine Installation, die auf die spezifische Architektur des frei zugänglichen, öffentlichen Ortes Bezug nimmt. Alte im Kreis aufgestellte Holzmöbelstücke bilden die Grundmauern einer bis unter die Kuppel wachsenden rund 12 Meter hohen Kartonarchitektur, die einen Kontrapunkt zu der sie umgebenden statischen Architektur aus Stein und Glas setzt. Die räumliche Qualität der Arbeit eröffnet eine sowohl körperliche als auch mentale Erfahrung; Besucherinnen und Besucher aktivieren durch ihr Betreten den Raum. Als lebendiger Teil der Gegenwart bewegen sie sich zwischen der in Stein gefassten Vergangenheit und der Idee einer möglichen Zukunft und sind somit Teil eines stetigen Wandlungsprozesses. Die sukzessive Demontage der Arbeit durch den Künstler in einer öffentlichen Performance bildet schließlich einen Höhepunkt der Ausstellung.
Carlos Bunga studierte Malerei an der Escola Superior de Arte e Design in Caldas da Rainha in Portugal. Er erweiterte seine Praxis um konzeptuelle, performative und installative Ansätze. Seit Mitte der 2000er-Jahre ist er besonders für seine ortsspezifischen Installationen und Performances international bekannt. Bunga hat in zahlreichen Institutionen in Europa, den USA und Lateinamerika ausgestellt und mehrere Großprojekte im öffentlichen Raum realisiert. Zuletzt stellte er 2020 in der Whitechapel Gallery in London, im Museum of Contemporary Art in Toronto und in der Wiener Secession aus. Er lebt und arbeitet in der Nähe von Barcelona.