Seit jeher halten Künstler*innen die enge Beziehung zu ihren Haustieren fest und inszenieren das Verhältnis zwischen Mensch und Tier. Unsere Top 10!

Wie viele Fotos von süßen Tieren, flauschigen Hundewelpen oder verspielten Katzen finden sich wohl auf unseren Smartphones? Schnappschüsse der eigenen Haustiere oder des goldigen Nachbarshund schmücken längst das neuste Profilfoto bei Tinder oder unsere Instastories. Doch die Bewunderung für Haustiere reicht viel weiter zurück als ins digitale Zeitalter. Seit jeher halten Künstler*innen die enge Beziehung zu ihren Haustieren fest, portraitieren in Auftragsarbeiten den Adel mit ihren Vierbeinern oder inszenieren bewusst das Verhältnis zwischen Mensch und Tier. Unsere Top 10!

1. Paula Modersohn-Becker, Katze in einem Kinderarm, um 1903


Das Zusammensein von Mensch und Tier begeisterte Paula Modersohn-Becker so sehr, dass sie zwischen 1902 und 1905 zahlreiche Portraits anfertigte, die Kinder mit Tieren zeigen. Um das Jahr 1903 malte sie ein Kind mit rotem Hemd, das eine Katze im Arm hält. Sein Griff wirkt ungelenk, die Katze scheint fast hinunterzurutschen. Modersohn-Becker hält einen Moment fest, der mit dem nächsten Wimpernschlag verflogen sein könnte. Mit der Figurenwahl konzentriert sie sich auf Wesen, die sonst eher selten Ruhe ausstrahlen. Vielleicht sucht die Katze gleich das Weite oder jagt einer Maus hinterher…

Paula Modersohn-Becker, Katze in einem Kinderarm, um 1903 © Paula Modersohn-Becker Stiftung, Bremen
2. Robert Mapplethorpe, Snakeman, 1981

Robert Mapplethorpes „Snakeman“ gehört zu jenen Portraits, in denen der US-amerikanische Fotograf seine Modelle mit Attributen der Verführung abbildet. Der unbekannte junge Mann trägt eine schwarze lederne Satyrmaske (= Teufel), die an Fetischobjekte erinnert, während die Schlange, eine Boa Constrictor, die sich fast manieristisch um seine Schultern windet, als phallisches Symbol gedeutet werden kann. Mapplethorpe bringt hier christliche Motive mit Themen wie Fetisch, Sex und Verführung zusammen. Sind Teufel und Schlange einen Bund eingegangen? Oder setzt die Königsschlange noch zum tödlichen Würgeangriff an?

Robert Mapplethorpe, Snakeman, 1981, Tate © Robert Mapplethorpe Foundation, image via tate.org.uk

3. Goya, Manuel Osorio Manrique de Zuñiga (1784–1792), 1787–88

Dieser braungelockte junge Mann im prächtigen roten Kostüm versammelt einen kleinen Zoo um sich. Der Sohn der Gräfin und des Grafen von Altamira steht zwischen einem Käfig voller Finken und drei Katzen mit leuchtenden großen Augen, die von der Elster, dem Haustier des Jungen, paralysiert zu sein scheinen. In der christlichen Ikonografie stehen Vögel oft für die Seele; in der barocken Kunst symbolisieren Vögel in Käfigen die Unschuld. Vielleicht steckt hinter der Tierauswahl die Absicht Goyas, die Vergänglichkeit von Unschuld und Jugend zu illustrieren. Im Schnabel hält die Elster übrigens Goyas Visitenkarte. Auch im 18. Jahrhundert wusste man, wie Selbstvermarktung geht!

 

Francisco de Goya y Lucientes, Manuel Osorio Manrique de Zuñiga, 1787–88, The MET, image via metmuseum.org 

4. Maria Lassnig, Selbstportät mit Affen (Geliebte Vorväter), 2001

Bin ich noch schön? Maria Lassnig begann bereits in den 1940er Jahren, eine neuartige Darstellung von Körperlichkeit in ihren Werken zu zeigen. Sie malte nicht was sie sah, sondern was sie fühlte. So setzte sie auch Farben ein, um bestimmte Emotionen zu zeigen. In „Selbstporträt mit Affen“ zeigt sie sich als alte Frau mit eingefallenen Wangen und spitzen Schultern. Ein Affe ruht auf ihrem Schoß, der sich die Haare rauft. Wofür steht der Affe? Für Eitelkeit? Oder spiegelt er als Tier, das dem Menschen am ähnlichsten ist, vielleicht das Innenleben der Künstlerin wider?  Ab den späten 1990er Jahren schuf Lassnig vermehrt Selbstporträts mit einem Tier, das oftmals das introspektive Erleben darstellt.

Maria Lassnig, Selbstporträt mit Affen (Geliebte Vorväter), 2001, Städel Museum, image via marialassnig.org

5. Fernando Botero, Circus Girl with Pet, 2008

Die zufällige Begegnung mit einem Wanderzirkus in Mexiko gab dem kolumbianischen Künstler Fernando Botera den Anstoß für seine Werkserie “The Circus”. Boteros unverkennbarer Stil, der sich durch runde, scheinbar aufgeblasene Figuren, durchdringende Farben und absurde Proportionen auszeichnet, zeigt sich auch in „Circus Girl with a Pet“. Ein knapp bekleidetes, barock anmutendes Mädchen blickt die Betrachtenden ernst und ein wenig verdrossen an. Mit der rechten Hand tätschelt sie einen zahmen Affen, im linken Arm ruht ein Tiger im Miniaturformat. Boteros Darstellung der Zirkusartist*innen erinnert an die Fin-de-Siècle-Interpretationen des Genres durch Künstler wie Henri de Toulouse-Lautrec, der in seinen Zeichnungen und Gemälden das Zirkusleben ausgesprochen unglamourös und ungeschönt festhielt.

Fernando Botero, Circus Girl with Pet, 2008, image via operagallery.com

6. Leonardo da Vinci, Dame mit dem Hermelin, 1489–1490

Wer stiehlt hier wem die Show? In Leonardo da Vincis Porträt „Dame mit dem Hermelin“ ist das titelgebende Hermelin alles andere als zufällig gewählt. Letztlich half es sogar bei der Identifizierung der geheimnisvollen Dame. Erst Anfang des 20. Jahrhundert fand man heraus, dass das Bildnis Cecilia Gallerani zeigt, eine der Mätressen des Mailänder Herzogs Ludovico Sforza. 1488 wurde Sforza, besser bekannt als „Il Moro“, der Hermelinorden verliehen, der ihm den Beinamen „Ermellino Bianco“ (weißes Hermelin) einbrachte. Doch auch etymologisch gibt es Hinweise auf Cecilia Gallerani: Das altgriechische Wort für Wiesel lautet galê bzw. galéē und kann so als Anspielung auf ihren Nachnamen verstanden werden. Leonardo, der eine Vorliebe für Wortspiele und geheime Botschaften hegte, verstand es mit dem weißen Hermelin, Ludovico symbolisch und heimlich in das Porträt einzubinden.

Leonardo da Vinci, Dame mit dem Hermelin, 1489 - 1490, image via wikiart.org

7. Pieter Hugo, Mallam Mantari Lamal with Mainasara, Nigeria, 2005

In seiner Serie „Hyena & Other Men“ portraitierte der südafrikanische Fotograf Pieter Hugo eindrucksvoll eine Gruppe Männer mit ihren Hyänen. Hugo wurde durch einen befreundeten Journalisten auf eine Gruppe von Gadawan-Kura (Hyänen-Menschen) in der nigerianischen Hauptstadt Abuja aufmerksam. Die Gruppe setzte sich aus Männern, einem kleinen Mädchen, drei Hyänen, vier Affen und Felsenpythons zusammen und verdiente ihren Lebensunterhalt mit Aufführungen und dem Verkauf traditioneller Heilmittel. Zwei Jahre lang reiste Hugo über jeweils mehrere Wochen mit der Gruppe durch das Land – und hielt die Männer mit ihren Tieren für die Nachwelt fest.

Pieter Hugo, Abdullahi Ahmadu with Mainasara, Nigeria, 2005, image via pieterhugo.com

 
 

8. Frida Kahlo - Self-portrait with Monkey, 1945

Frida Kahlo ohne ihre Tiere – undenkbar! Die mexikanische Künstlerin wird in vielen ihrer Selbstportraits von Affen, Katzen oder exotischen Vögeln flankiert. In „Self-portrait with Monkey“ ist sie gemeinsam mit ihrem Affen Fulang Chang zu sehen. Der tierische Wegbegleiter, den Frida Kahlo 1937 erstmals in einem Selbstportrait festhielt, kann als Alter Ego gedeutet werden; selbst die Frisur der beiden ähnelt sich. In einer freundlichen und schützenden Geste hält Fulang Chang seine Arme um die körperlich schwer gebeutelte Künstlerin. Während Affen oft als störrisch und frech verstanden werden, zeichnet Kahlo mit ihrer Freundlichkeit gegenüber ihnen jedoch ein anderes Bild. Für sie sind Klammeraffen zarte und sanfte Tiere. In der Kultur der Mayas stehen sie für Lebensfreude, treiben Schabernack und werden in hohem Maße mit Lust und Fruchtbarkeit assoziiert.



Frida Kahlo, Self-Portrait with Monkey, 1945, Robert Brady Museum, photographer: Tachi © 2014 Banco de México Diego Rivera Frida Kahlo Museums Trust, Mexico, D.F. / Artists Rights Society (ARS), New York, Image via news.artnet.com

9. Leonard Tsuguharu Foujita, Self-portrait, 1928

Foujita war ein echter Katzennarr. Er malte und zeichnete sie unentwegt, so auch in seinen Selbstportraits. Eines Tages wurde Foujita auf seinem Weg ins Atelier von einer Katze verfolgt. Sie erhielt nicht nur ein Herrchen, sondern auch den Namen Mika (japan. „gestreift“). Foujita war fasziniert von der Unabhängigkeit und Unberechenbarkeit der Tiere und verglich sie immer wieder mit dem „weiblichen Charakter“: Überlieferungen zufolge soll er geglaubt haben, dass Katzen mit Frauen verwandt seien – er behauptete, dass Gott den Menschen Katzen gegeben habe, um das geheimnisvolle weibliche Wesen besser zu verstehen…

Eine Ähnlichkeit anderer Art machten aber auch die Freund*innen des Künstlers aus. Sie scherzten sogar, er selbst sähe aus wie ein Mäusejäger. Gleich und gleich gesellt sich gern!

The reason why I so much enjoy being friends with cats is that they have two different characters: a wild side and a domestic side. 

Foujita in Nager sur la Terre, 1926

Léonard Tsuguharu Foujita, Self-portrait, 1928, Fondation Foujita, image via dailyartmagazine.com

10. Gustave Courbet, Frau mit Papagei, 1866

Angespornt durch den Erfolg von Alexandre Cabanels „Geburt der Venus“ im Pariser Salon von 1863, strebte Gustave Courbet danach, die Akademie mit einem realistischeren Aktbild herauszufordern. Der erste Versuch von 1864 wurde abgelehnt, 1866 akzeptierte die Jury dann jedoch die „Frau mit Papagei“. Doch auch dieses Mal hagelte es Kritik. Bemängelt wurde Courbets „mangelnder Geschmack“, die „unbeholfene“ Pose und das „zerzauste Haar“ des Modells. Der jüngeren Künstler*innengeneration, die Courbets Missachtung akademischer Standards teilte, sagte dieses naturalistischere Bild jedoch sehr zu. Es ist nicht nur die scheinbar spontan abgelegte Kleidung des Modells, durch die sich das Bild von den mythologischen und idealisierten Akten abhob, die sonst im Salon gezeigt wurden. Ein Fürsprecher lobte ihn vor allem für die Darstellung „einer Frau unserer Zeit“. Was den leuchtend bunten Papagei betrifft: Dieser kann einerseits als phallische Kreatur verstanden werden oder mit der Farbpalette des Malers verglichen werden.

Gustave Courbet, Frau mit Papagei, 1866, The MET, image via metmuseum.org

DOGGY BONUS!

Picasso und Lump

Meet Lump, Das bedeutendste Tiermodell der Kunstgeschichte! Als sich Lump und Picasso 1957 in Picassos Villa in den Hügeln von Cannes zum ersten Mal begegneten, war es Liebe auf den ersten Blick. Lumps eigentlicher Besitzer David Douglas Duncan reiste mit seinem Hund nach Südfrankreich, um Picasso auf dessen Anwesen zu fotografieren. Bei einem gemeinsamen Mittagessen erkundigte sich Picasso, ob Lump jemals einen eigenen Teller gehabt habe. Als Duncan dies verneinte, griff Picasso zu Pinsel und Farbe und malte ein Porträt von Lump auf seinem Teller. Das datierte „Werk“ schenkte er Duncan anschließend. Aus nicht ganz nachvollziehbaren Gründen blieb Lump schließlich die nächsten sechs Jahre bei Picasso, wo er mit dessen Boxer Yan und einer Ziege namens Esmeralda zusammenlebte. Duncan sagte über Lump und Picasso: „Es war eine Liebesaffäre. Picasso nahm Lump in seine Arme. Er fütterte ihn aus seiner Hand. Zum Teufel, dieser kleine Hund hat einfach alles übernommen. Er leitete das verdammte Haus. Picasso hatte viele Hunde, aber Lump war der einzige, den er in die Arme nahm“.

David Hockney’s Dog Days

Auf den Hund gekommen ist auch David Hockney, der in den 1990er Jahren zahlreiche Gemälde und Zeichnungen seiner Dackeln Stanley und Boogie malte. Seine figurativen Werke wirkten im Kontext der 90er Jahre fast ein wenig altmodisch, wofür er jedoch eine gute Erklärung fand: „I make no apologies for the apparent subject matter. These two dear little creatures are my friends. They are intelligent, loving, comical and often bored. They watch me work; I notice the warm shapes they make together, their sadness and their delights. And, being Hollywood dogs, they somehow seem to know that a picture is being made.“ Hockneys Hundebilder sind 1998 im Buch „David Hockney’s Dog Days“ veröffentlicht worden.

Jacqueline Roque and Lump, Pablo Picasso inspects the plate he has just painted for and dedicated to Lump, April 19th, 1957 © David Douglas Duncan, Image via utexas.edu

David Hockney and his dogs.Photo: Richard Schmidt, Image via www.architecturaldigest.com

Paula Modersohn-Becker

8. Oktober 2021 bis 6. Februar 2022

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