Warum signieren Künstler*innen ihre Werke? Und seit wann? Wir haben einen Blick in die Geschichte der Signatur geworfen!

„Ich bin nicht Modersohn und ich bin auch nicht mehr Paula Becker. Ich bin Ich, und hoffe, es immer mehr zu werden.“ Diese Worte richtete Paula Modersohn-Becker im Februar 1906 an ihren Freund Rainer Maria Rilke, kurz bevor sie Worpswede und damit auch Otto Modersohn den Rücken kehrte und nach Paris zog. Mit dem Wegzug aus der Künstlerkolonie begann eine neue Phase im Leben und Werk der Künstlerin. Dies spiegelt sich auch in ihrer Signatur wider. Dafür beispielhaft ist vor allem das „Selbstbildnis am 6. Hochzeitstag“, das im Mai 1906 entstanden ist und sie mit PB – Paula Becker, ihrem Mädchennamen – signierte. Paula Becker ist 30 Jahre alt, hat sich von Otto Modersohn getrennt und erlebt nun in Paris, die „intensiv glücklichste Zeit“ ihres Lebens. Mit ihrer neuen alten Signatur demonstrierte sie ihre neugewonnene Unabhängigkeit. Die Signatur von Künstler*innen hilft uns Betrachtenden heute also nicht nur bei der Datierung ihrer Arbeiten, sondern kann auch Aufschluss über Lebensumstände und Gefühlslagen geben. Doch warum signieren Künstler*innen ihre Werke überhaupt? Und seit wann?

Bereits in der Antike fügten Keramiker*innen den roten und schwarzen Figuren auf ihren Amphoren ihre Unterschrift hinzu – und machten so mit jedem verkauften Gefäß Werbung für ihre Werkstatt. Doch das Prinzip Signatur etablierte sich erst so richtig in der Renaissance. Italienische Renaissancekünstler*innen sollen die ersten gewesen sein, die auf ihren Werken Signaturen hinterließen. Im Vergleich zu manch moderner Unterschrift, waren diese frühen Signaturen keine kleinen, in Ecken gesetzte Buchstaben, sondern oft durchdachte und fast kalligraphische Inschriften, die sich harmonisch in die Bildkomposition integrierten.

Eine der amüsantesten Geschichten über eine Künstlersignatur in Giorgio Vasaris Vita über Michelangelo überliefert: „...Michelangelo kam zu dem Ort, an dem die Pietà ausgestellt war, und sah dort eine große Anzahl von Besuchern aus der Lombardei, die das Kunstwerk sehr lobten; er hörte jedoch, wie einer von ihnen einen anderen nach dem Künstler fragte, und die Antwort lautete: 'Es war unser Mailänder, il Gobbo'. Michelangelo sagte nichts, aber es erschien ihm, gelinde gesagt, ungerecht, dass seine Werke einem Fremden zugeschrieben wurden. Eines Nachts brach er mit einer Lampe und einem Meißel in die Kirche ein und ritzte seinen Namen in die Skulptur.“

Eines Nachts brach er mit einer Lampe und einem Meißel in die Kirche ein und ritzte seinen Namen in die Skulp­tur.

Vasari

Michelangelos Signatur auf der Pietà, Image via WikiCommons

Bevor auch die Künstler*innen Nordeuropas ihre Namen auf ihre Werke setzten, verewigten sich einige von ihnen, allen voran Albrecht Dürer, mit Portraits in ihren Gemälden, Zeichnungen und Stichen. Der in Nürnberg geborene Künstler tauchte in vielen seiner Werke selbst auf, mal als Trommler, ein anderes Mal als Zaungast in einer größeren Menschengruppe. Dürer war viel daran gelegen, seine persönlichen Züge festzuhalten und sein Antlitz einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen.

In Rollen schlüpfen

Aus der gleichen Motivation heraus entwickelte er auch sein berühmtes Monogramm. Nach einer Phase des Experimentierens mit unterschiedlichen Schreibweisen entwickelte Albrecht Dürer Ende der 1490er Jahre sein endgültiges „AD“-Signet, das sich aus dem Kapitalbuchstaben „A“ und einem unter dessen Schenkeln eingeschlossenen „D“ zusammensetzt. In dieser Form platzierte er es fortan auf sämtlichen Arbeiten – so wurde es zu seinem Markenzeichen.

Albrecht Dürer, Feldhase (1502), Image via WikiCommons

Lucas Cranach der Ältere, ein Zeitgenosse Albrecht Dürers, machte sein kreatives Erbe ebenfalls mit einem Zeichen kenntlich, das er schon zu Beginn seiner Malertätigkeit entwickelte. Er verwendete das Wappen der Familie Cranach, eine geflügelte Schlange mit einem Rubinring im Maul. Da Cranach der Ältere auch eine umtriebige Werkstatt leitete, fügte er den wirklich aus seiner Hand stammenden Werken die Buchstaben LC hinzu. Damit hielt er die Zunftregeln ein, denn Kunstwerke, die der Meister nicht selbst anfasste, sollten nur mit dem Werkstattzeichen versehen werden.

Geflügelte Schlangen und versteckte Hinweise

Im 17. Jahrhundert nahm die Künstler*innen-Signatur schließlich die uns vertraute Form an: Mehrere Buchstaben oder ein vollständiger Name, das manchmal durch ein Datum ergänzt wurde. Die Unterschrift sollte die Echtheit des Gemäldes bezeugen und seinen Preis erhöhen, doch manchmal wurde die Signatur zu mehr: Goyas Spiel mit der Inschrift „Sólo Goya“ zeigt beispielsweise offenbar die enge Beziehung zwischen Künstler und Modell. In „Die Herzogin von Alba“ deutet die Portraitierte mit dem Zeigefinger ihrer rechten Hand nach unten auf den Boden, wo die Worte „Goya“ bzw. „Sólo Goya“ in den Sand geschrieben sind. 

Cranach-Signatur (gekrönte und geflügelte Schlange mit Ring im Maul) auf dem Bildnis der Katharina von Mecklenburg von 1514, Image via WikiCommons

Das Wort „Sólo“ wurde erst bei Restaurierungsarbeiten in den 1950er Jahren entdeckt und war vorher übermalt und mit Firnis überzogen worden. Die vollständige Inschrift wird in der Forschung als Hinweis auf die seit langer Zeit vermutete Liebesbeziehung zwischen dem Maler und der Herzogin gedeutet. Eine weitere Anspielung liefert die Gravur des goldenen Rings am rechten Zeigefinger der Dame: „Goya“.

Alles nur Ego?

Nein. Denn Signaturen können auch Teil des künstlerischen Prozesses sein. In diesem Fall bedeutet das Setzen der Unterschrift „Das Werk ist fertig!“. Und was bedeutet eine Signatur heute? Das 20. Jahrhundert hat Kunsthistoriker*innen viele Möglichkeiten gegeben, die Urheberschaft eines Werkes auch ohne eine Unterschrift bestimmen zu können. Der Wert einer echten Signatur ist jedoch nach wie vor nicht zu unterschätzen. Dies wird in einer Anekdote über Picasso deutlich, der einmal ein Abendessen mit einer Zeichnung auf der Rechnung des Restaurants bezahlt haben soll, sich dann aber weigerte, seine Skizze zu unterschreiben. Stattdessen soll der dem Besitzer entgegnet haben: „Mein Lieber, ich kaufe hier nur das Abendessen, nicht das ganze Restaurant“.

Goya, Die Herzogin von Alba 1795-97, Image via WikiCommons

Paula Modersohn-Becker

8. Oktober 2021 bis 6. Februar 2022

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