Kann Kunst eigentlich witzig sein? Mit satirischen Szenen und überzeichneten Figuren bedient sich Richard Jackson klassischen Strategien der Komik. Und testet damit die Grenzen der Kunst.
Glenn O’Brien, Ikone der amerikanischen Kunstkritik, holte einst zu einem ironischen Rundumschlag über die Komik der Kunst und des Kunstbetriebs aus – Skulptur, Malerei, Galerien, Museen, Sammler, alle sind im Grunde genommen ein Witz. Vor allem aber: „Kunst selbst ist ein Witz. Und nicht lustig. –Spaß. Kunst ist wirklich, wirklich witzig. Sie haut mich um. Das ist es, was ich an ihr mag. Sie ist lustiger als fast alles andere, gerade weil sie so ernst ist.“
O’Brien bringt es auf den Punkt, wenn er die teils verkrampfte Ernsthaftigkeit des Kunstbetriebs als einen Kompensationsversuch beschreibt. Denn, seien wir mal ehrlich, die meiste Kunst sieht doch erst einmal ziemlich schräg aus, vor allem die zeitgenössische. Nun ist komisches Aussehen allein kein Grund, einem Objekt seine Kunstwürdigkeit abzusprechen – aber um keine Zweifel zu sähen, verkneifen wir uns das Lachen: „Einen Zustand der Ernsthaftigkeit angesichts eines Objekts (oder einer Performance) herzustellen, kann als die auffälligste Eigenschaft des Prozesses des Kunstmachens gesehen werden. Wenn es nicht mit Ernsthaftigkeit und Förmlichkeit betrieben wird, wie wüssten wir dann, dass es Kunst ist und nicht irgendein Scherz?“
Vielleicht setzt die Kunstkritik auch deswegen immer wieder zu Diskussionen darüber an, ob Kunst denn komisch sein „darf“. Dabei gibt es zahlreiche Künstlerinnen und Künstler, die keine Scheu davor haben, sich der Komik zu bedienen: Man denke an Paul McCarthys abstruse Performance als genialischer Maler „Painter“ (1995), Bruce Naumans Wort- und Bildwitze in Neon oder auch an Marcel Duchamps provozierendes Urinal.
Wenn es nicht mit Ernsthaftigkeit und Förmlichkeit betrieben wird, wie wüssten wir dann, dass es Kunst ist und nicht irgendein Scherz?
Richard Jackson könnte man nahtlos hier anfügen, nicht nur weil er Weggefährte der ersten Beiden und beeinflusst von Letzterem ist. Seine Arbeiten waren schon früh von einem Hang zum Absurden, einer gewissen Selbstironie und einem Faible für Wortspiele gekennzeichnet. Komik im eigentlichen Sinne kommt aber vielleicht erst mit Jacksons „Rooms“ ins Spiel, installativ-malerische Environments, die Anfang der 2000er Jahre entstanden. Für diese Räume denkt sich Jackson Szenarien aus, die die Ausgangslage für malerische Bearbeitungen bilden.
Komik im eigentlichen Sinne kommt mit Jacksons „Rooms“ ins Spiel
So knüpft sich Jackson für den „Dining Room“ ein Abendessen im Familienkreis vor, das eskaliert, als der Vater auf dem Tisch buchstäblich den Stress von der Arbeit ablässt – als Farbe, die ihm aus dem Hintern spritzt. „Papa lässt den ganzen Scheiß von der Arbeit am Esstisch ab motz motz!“, heißt es passenderweise auf einer Skizze. Im „War Room“ haben sich Enten in militärischer Uniform um einen Globus verteilt; sie sind geblendet von pinken Brüsten, die ihnen aus den Augen quellen. Wie in einem pubertären „pissing contest“ haben sie sich gegenseitig mit Farbe bepinkelt, die ihnen von den Wänsten tropft.
Soll man nun lachen? Kann man, muss man aber nicht. Vor allem wenn – etwas unangenehm berührt von den expliziten Szenen – das Lachen eher zur Übersprunghandlung gerät, lohnt es sich, nicht gleich zum nächsten Werk zu gehen.
Komik liegt auch in der unvereinbaren Doppelrolle von Jacksons Figuren
Wie auch der Witz häufig unfreiwillig einiges über die Gesellschaft verrät, die ihn hervorgebracht hat, schmuggeln sich auch im Werk Jacksons durch die Hintertür des Komischen ernstere Themen: Der Mythos der glücklichen Kleinfamilie, patriarchale Strukturen, der Hang zum Voyeurismus, das Ende der Privatsphäre, Imperialismus und die Ausbeutung der Erde. Komik liegt allerdings auch in der unvereinbaren Doppelrolle, die Jacksons Figuren zwischen Mensch und Maschine einnehmen müssen. Denn Jackson verteilt die Farbe in seinen Installationen nicht selbst, sondern macht sich die Protagonisten seiner Szenarien zu seinen unfreiwilligen Komplizen, indem er diese gleichzeitig als Malmaschinen einsetzt. Farbe wird mit Druck in diverse Körperöffnungen eingetrichtert und -gepumpt, bis sie andernorts wieder entweicht.
Wie der Philosoph Henri Bergson bereits 1900 in seinem Essay über das Lachen schrieb, kompensiere dieses den Moment, wenn Menschen unfreiwillig das Menschliche abhandenkommt und ihr Verhalten in ein mechanisches oder automatisiertes kippt – zum Beispiel wenn wir uns nicht auf den Stuhl, sondern versehentlich ins Leere setzen: „Komisch ist jede Anordnung von ineinandergreifenden Handlungen und Geschehnissen, die uns die Illusion von wirklichem Leben und zugleich den deutlichen Eindruck von mechanischer Einwirkung vermittelt.“
Umgekehrt lachen wir über Tiere oder Maschinen, wenn wir den Eindruck haben, sie verhalten sich menschlich – was wir Tieren gerne zuschreiben – während es uns bei Maschinen erheitert, wenn sie daran scheitern (siehe die üblichen YouTube-Videos). Auf Jacksons Figuren bezogen wird deutlich, dass ihre Komik nicht allein durch das Szenario des jeweiligen „Rooms“ entsteht. Betrachtet man sie als Repräsentation des Menschen, mutet ihre Maschinenhaftigkeit, der sich die Figuren nicht erwehren können, komisch an – wiederum als Maschinen gesehen ist das Verhalten, das sie an den Tag legen, ganz und gar menschlich, unvollkommen und fehlerhaft, einer Maschine nicht angemessen.
Komisch ist jede Anordnung von [...] Geschehnissen, die uns die Illusion von wirklichem Leben und zugleich den deutlichen Eindruck von mechanischer Einwirkung vermittelt.
Jacksons Arbeiten verbinden sich noch in einem tiefgreifenderen Punkt mit der Natur des Witzes: in der Grenzüberschreitung. Witze basieren häufig darauf, dass gesellschaftliche Konventionen oder normatives Verhalten überschritten werden; jemand tut etwas (absichtlich oder unabsichtlich), was im Widerspruch zu dem steht, was die Anwesenden von ihr oder ihm erwartet hätten. Dieser Widerspruch wirft ein bezeichnendes Licht auf Jacksons Beschreibung seiner Kunst als „ungewöhnliches Verhalten“.
Jackson beschreibt seine eigene Kunst als „ungewöhnliches Verhalten“
So testet er die institutionellen Grenzen, wenn er zum Beispiel einen 12 Meter hohen Hund gelbe Farbe an die Außenwand eines Museums pinkeln lässt. Es ist aber vor allem das konstante Herausfallen aus einer Rolle, was dieses „ungewöhnliche Verhalten“ kennzeichnet: Jackson, der Maler, der lieber komplexe Environments baut; Jackson, der Bildhauer, der darauf besteht, Farbe malerisch einzusetzen; Jackson, der Aktionskünstler, der die performative Seite seiner Arbeiten – die Aktivierung der Malmaschinen – dem Publikum bewusst vorenthält und ihm nur deren Spuren zeigt.
Jackson hat sicher Humor, ein Witzemacher ist er aber nicht. Komik ist etwas, was Jackson quasi in die Hände spielt, indem sie sich eng mit dem Überschreiten von Rollen und Erwartungen in seinen Arbeiten verbindet. Sie erschöpft sich jedoch nicht in einem Selbstzweck. Dazu ist es Jackson dann doch zu ernst um die Malerei, um seinen Versuch, diese zu erweitern, und um die Investition seiner persönlichen Lebenszeit in Kunst. Damit sind wir wieder bei O’Brien, nur diesmal nicht ironisch: Es liegt auch Poesie darin, etwas Absurdes mit großer Ernsthaftigkeit zu versehen.