Direktor Max Hollein lässt ein erfolgreiches Jahr 2012 Revue passieren und gibt Einblicke in das vielfältige Ausstellungsprogramm des kommenden Jahres 2013.

2012 war für die SCHIRN ein außergewöhnliches, ein besonderes Jahr: Schon gleich zu Beginn besuchte uns Kronprinzessin Mette Marit von Norwegen, um die großartige Edvard Munch Ausstellung zu eröffnen; George Condo nahm uns mit in seine Welt aus grotesken Gestalten; Bettina Pousttchi verwandelte die SCHIRN in ein Fachwerkhaus; Michael Riedel widmeten wir eine erste Retrospektive; Jeff Koons überwältigte Frankfurt mit einer Doppelschau; und noch bis 20. Januar 2013 zeigt uns Gustave Caillebotte überraschende Perspektiven während die Ausstellung „Privat“ bis zum 3. Februar die verschiedenen Bedeutungsebenen von Privatheit und Intimität untersucht.

Obwohl der Abschluss dieses überaus erfolgreichen Jahres eigentlich das perfekte Alibi für ausgiebige Festivitäten und langgezogene Ruhepausen bietet, geht es hinter den Kulissen der SCHIRN weiter konzentriert und geschäftig zu. Getreu dem Motto „nach der Ausstellung ist vor der Ausstellung“ arbeiten wir bereits auf Hochtouren an unserem Programm für 2013. In der Regel beschäftigen wir uns mit den Vorbereitungen von rund 15 Ausstellungen gleichzeitig und begleiten parallel auch noch einige SCHIRN-Ausstellungen auf ihrer Reise in andere Institutionen. Einen Ausblick auf das spannende und abwechslungsreiche Programm für 2013 möchte ich Ihnen heute auf unserem Magazin geben:

YOKO ONO

Normalerweise geben uns Jubiläen (von denen es natürlich pausenlos unzählige gibt) nicht immer Anlass für eine Ausstellung. Doch eines ragt im nächsten Jahr heraus, für das wir gerne eine Ausnahme machen: Yoko Ono feiert am 18. Februar 2013 ihren 80. Geburtstag. Ono ist weltberühmt, eine Ikone und gleichzeitig eine für viele noch zu entdeckende hochbedeutende Künstlerin. Ab den frühen 60er-Jahren war Yoko Ono eine der wichtigsten und einflussreichsten Figuren der Fluxus-Bewegung, die mit ihren installativen und performativen Kunstwerken bahnbrechende Ideen umsetzte. Die Rezeption ihres künstlerischen Werks, das bis heute großen Einfluss auf die Gegenwartskunst ausübt, scheint durch die Prominenz ihrer Person und ihre Ehe mit John Lennon noch immer etwas in den Hintergrund gerückt. Diesen Missstand wollen wir ändern und in einer großen Retrospektive (15. Februar – 12. Mai 2013) das richtungsweisende Schaffen dieser herausragenden Künstlerin präsentieren, die immer wieder ihre Kunst, ihr Leben, ihren persönlichen Einsatz und ihr Engagement zu einer Einheit geformt hat. Folgerichtig werden wir die Ausstellung drei Tage vor Onos Geburtstag eröffnen und danach auf eine große Tour zum Louisiana Museum in Dänemark, zur Kunsthalle in Krems und zum Guggenheim Museum Bilbao schicken. Ein eigenes Bild von der immer noch höchst aktiven Yoko Ono können Sie sich übrigens live bei der Eröffnung unserer Ausstellung in Frankfurt machen.

LETZTE BILDER

Parallel zur Yoko Ono-Retrospektive zeigen wir eine besonders schöne, geradezu lyrische Ausstellung über die letzten Werkkomplexe großer Künstler: „Letzte Bilder. Von Manet bis Kippenberger“ (28. Februar – 2. Juni 2013). Das Phänomen des Spätwerks ist ein gespaltenes: Oft ist es dem Künstler bzw. der Künstlerin nicht bewusst, dass es sich tatsächlich um die letzten Arbeiten handeln wird, manchmal jedoch entsteht im vollen Bewusstsein des Abnehmens der Schaffenskräfte noch einmal ein großes, überraschendes künstlerisches Fanal. Unsere Ausstellung, die Werke von Édouard Manet, Henri Matisse, Francis Picabia, Alexej von Jawlensky bis zu Willem de Kooning und Martin Kippenberger versammelt, war besonders schwierig zu realisieren. Während Sie bei einer Retrospektive eines Künstlers vielleicht auf die eine oder andere Leihgabe verzichten können, ist bei einer solch spezifischen Thematik die Zusage aller speziellen Werke unerlässlich. Und genau dahinter steckt viel Arbeit, Überzeugungskraft, Fingerspitzengefühl – und natürlich ein kuratorisches Konzept, das sowohl andere Museen wie private Leihgeber fasziniert und überzeugt. Die Ausstellung ist in Paaren angelegt und bereits das erste „gemischte Doppel“ ist spektakulär: Manet malte in seinen letzten Monaten auf dem Sterbebett 17 kleinformatige Blumenstillleben als Abschiedsgrüße an seine Freunde. Eine Auswahl dieser stillen Meisterwerke werden drei der großformatigen Seerosenbilder von Claude Monet gegenüberstehen, die dieser wenige Jahre vor seinem Tod in seinem großen Gartenrefugium in Giverny geschaffen hat.

GLAM!

Im Sommer folgt eine Ausstellung zu „Glam!“, der visuellen Kultur der frühen 70er-Jahre. Sie gibt auch mir als großem Fan der frühen Roxy Music Platten und der David Bowie Inkarnation als Ziggy Stardust die Möglichkeit, in diese Zeit, die ich nicht nur als Jugendlicher so bewundert habe, einzutauchen. Nach „Shopping“ und „Summer of Love“ handelt es sich dabei wieder um eine Kooperation mit der Tate Liverpool.

PHILIP-LORCA DICORCIA

Zeitgleich zeigen wir das Werk des amerikanischen Fotografen Philip-Lorca diCorcia. Mit seinen faszinierenden Serien und detailreich entwickelten fotografischen Arrangements ist der in Deutschland noch zu entdeckende diCorcia gleichzeitig Chronist einer durch Behauptungen und Sehnsüchte bestimmten Alltagskultur, als auch Regisseur an der Grenze zwischen Realität und Fiktion.

STREET-ART BRAZIL

Ein vollkommen außergewöhnliches Projekt zeigen wir im Herbst im Rahmen der Buchmesse 2013 und des Gastlandauftritts von Brasilien: Mit der Ausstellung „Street-Art Brazil“ (5. September – 27. Oktober 2013) unternehmen wir den Versuch, die hochlebendigen und ungemein beeindruckenden Street-Art Szenen aus São Paulo, Rio de Janeiro und Belo Horizonte im Frankfurter Stadtkern für einen kurzen Zeitraum neu zu verorten und damit den urbanen Kontext unserer geordnete Finanzmetropole ein wenig „aufzumischen“. Große Wandmalereien und Graffitis werden nicht nur in und um die SCHIRN entstehen, sondern insbesondere auf Wänden, Eingängen und Gehwegen im städtischen Umfeld überraschen. Ein großes Experiment, eine logistische Herausforderung und mit Sicherheit ein Projekt, das lange in Erinnerung bleiben wird, auch nach dem „Abbau“ der Ausstellung.

BRASILIANA

Aber nicht nur in den Straßenzügen Frankfurts sondern auch in den Galerieräumen der SCHIRN wird brasilianische Kunst zu erleben sein. Mit „Brasiliana“ (2. Oktober 2013 – 5. Januar 2014) zeigen wir raumfüllende, multisensuale Installationen der brasilianischen Kunstszene von 1960 bis heute in einem Parcours intensiv erlebbarer Räume, in die der Betrachter partizipatorisch unmittelbar eingebunden wird.

THÉODORE GÉRICAULT

Als Gegenpol zu den bunten, südländischen Stimmungen der brasilianischen Kunstprojekte präsentieren wir anschließend – angepasst an die hiesige Wetterlage – die hochbedeutende Ausstellung „Géricault. Bilder auf Leben und Tod“. Das Werk dieses großen französischen Künstlers vom Anfang des 19. Jahrhunderts war richtungsweisend in seiner vollkommen neuartigen, ungemein eindrücklichen Darstellung von existenziellen Situationen, wie Wahnsinn, Krankheit, Leiden und Tod. Entstanden in einer Zeit direkt nach der französischen Revolution und der napoleonischen Kriege sind Géricaults Werke eine Synthese aus dem romantischen Geschmack für die Abgründe der menschlichen Seele und einer unsentimentale Faszination für neue wissenschaftliche Erkenntnisse.

PHILIP GUSTON

Einem Maler, dem man in den USA in allen großen Museen für moderne und zeitgenössische Kunst mit bedeutenden Werken begegnet – Philip Guston –, und dessen Einfluss auf die Kunstszene seit den 1980er-Jahren widmen wir ab 6. November 2013 eine Ausstellung. Nicht zuletzt aufgrund ihres millionenschweren Marktwerts gibt es nur wenige bedeutende späte Guston-Werke in deutschen Sammlungen. Gerade jedoch sein Spätwerk, welches 1970 zum Kunstskandal wurde und als Verrat an den Prinzipien des abstrakten Expressionismus gewertet wurde, ist in seiner Ironie, seinem Humor und seiner malerischen Kraft ein großer Meilenstein der Geschichte der Malerei.

RONI HORN

Während im Dezember dann ganz sicher wieder der Weihnachtsmarkt vor unseren Toren Einzug hält, wird die SCHIRN zum Mittelpunkt eines besonderen Ausstellungsprojektes der US-amerikanischen Künstlerin Roni Horn. Auch wenn ich hierzu noch nicht allzu viel verraten will, erwartet uns eine überraschende Auseinandersetzung mit der verändernden, unbeständigen Natur der Identität.

Das Ausstellungsprogramm der SCHIRN 2013 spannt einen weiten Bogen von der Kunst Géricaults aus dem frühen 19. Jahrhundert bis hin zur aktuellen zeitgenössischen Kunst. Etwas eint die Projekte jedoch: sie überraschen und zeigen einen neuen Blickwinkel, eine Entdeckung oder eine besondere Perspektive – so dass man aus der Schirn herauskommt mit dem Gefühl etwas Neues gesehen oder etwas Altbekanntes vollkommen neu erlebt zu haben.