Die Luxusgüterkonzerne von heute sind viel mehr als Produzenten exklusiver Waren. Sie bieten bildenden Künstlern eine so breite Förderung wie zu Zeiten der Renaissance, sei es durch teure Ankäufe oder gar die Errichtung eigener Museen.
Die Medici von heute heißen nicht Cosimo oder Lorenzo, sondern Prada, Trussardi, Gucci. Luxusgüterkonzerne suchen nicht nur die künstlerische Inspiration, sondern sie sind ein zentraler Faktor in der Rezeption zeitgenössischer Kunst geworden. Wie den Medici damals, so geht es auch diesen merkantilen Förderern von heute nicht allein um selbstloses Mäzenatentum, sondern um eine komplexe Strategie des kulturellen Engagements und seiner Kommerzialisierung.
Die Allianz ist logisch: Die aktuellen Mechanismen des zeitgenössischen Kunstmarkts, das Kunstwerk als das am meisten prestigefördernde aller Lifestyle- und Investmentprodukte zu vermarkten, sind denen der Modeindustrie mehr als verwandt.
Die Präsentation von zeitgenössischer Kunst wird folgerichtig in der Kultur- und Modemetropole Mailand in erster Linie durch Unternehmensinitiativen ermöglicht, ob das nun die künstlerischen Interventionen durch die Fondazione Nicola Trussardi, die Kunsthalle der Pirelli HangarBicocca Foundation oder die weitreichenden Initiativen von Prada sind.
Namentlich der Prada-Konzern wird im kommenden Jahr mit der Eröffnung eines von dem Stararchitekten Rem Koolhaas (69) entwickelten 17.500 Quadratmeter großen Museums in Mailand seinem umfassenden Wirken im Kulturbereich eine weitere Facette hinzufügen.
Schon jetzt wurden durch Prada Ausstellungen zeitgenössischer Kunst organisiert, ein Museum in Venedig bespielt, Filmfestivals ermöglicht, Publikationen im Kulturbereich herausgegeben und weltweit Konferenzen, Events und Performances initiiert. Die aktuell neue Marktbewertung von italienischer Kunst der 60er-Jahre (nicht nur von Piero Manzoni und Lucio Fontana, sondern ebenso von Domenico Gnoli, Alberto Burri und weiteren) hat auch mit der Pionier- und Multiplikatorarbeit von Prada zu tun und mit jener des langjährigen Kurators Germano Celant (73), der einerseits für das führende Kunsthandel- und Galeriesystem von Larry Gagosian (69) bisweilen Ausstellungen zur italienischen Kunst vorbereitet, andererseits aber im letzten Jahrzehnt auch für Prada eine der umfassendsten Sammlungen in eben diesem Bereich der italienischen Nachkriegsavantgarde aufgebaut hat. In den vergangenen 24 Monaten haben sich die Preise dieser Künstler vervielfacht.
Prada hat insofern der kulturellen Szene seines Heimatlandes zu einem Aufschwung und zur adäquaten internationalen Wertschätzung geholfen, wissenschaftliche Kataloge und Ausstellungen ermöglicht -- und gleichzeitig eine korrespondierende Sammlung dazu entwickelt. Dennoch, bei Prada bleiben die kommerziellen und die kulturellen Sphären nach außen hin noch bewusst getrennt.
Ein eigenes Auktionshaus? Kein Problem!
Deutlich direkter geht es die Konkurrenz an: Louis Vuitton lässt seine Auslagefenster nicht nur von Künstlern wie Ólafur Elíasson (47) gestalten -- die jeweilige It-Bag (die hauptumsatzbringende Handtasche) wird von einem angesagten Proponenten der Kunstwelt wie Takashi Murakami (52), Richard Prince (64) oder Yayoi Kusama (85) entworfen.
Bernard Arnault (65), Großgesellschafter von LVMH (Louis Vuitton Moët Hennessy -- betreibt auch Marken wie Dior, Fendi, Givenchy oder De Beers), lässt derzeit ein von Frank Gehry (85) gestaltetes, spektakuläres Museum in Paris erbauen. Damit zeigt der zweitreichste Franzose, der bereits mit seinem Umzug nach Belgien aus Steuergründen geliebäugelt hat, seine nationale Verbundenheit genauso wie die Fortführung einer Strategie der Assimilation von Mode- und Kulturwelt.
Gebäude für die Kunst entstehen zu lassen mag aufwendig erscheinen. Aber für eine Industrie, die es gewohnt ist, für eine einzige Modeschau einen temporären Palast in der Wüste Dubais aufzubauen -- wie im Mai bei Chanel geschehen --, ist es eine Investition unter vielen.
Niemand bespielt die gesamte Verwertungskette von Kunst -- vom gemeinnützigen Engagement bis hin zum hochpreisigen Auktionsgeschäft -- besser und lukrativer als der Franzose François Pinault (77): In der Doppelrolle Unternehmer und Kunstsammler agiert er als Eigentümer von Luxus- und Lifestylemarken wie Gucci, YSL oder Puma, Betreiber von zwei Kunstmuseen in Venedig und Besitzer des Auktionshauses Christie's -- und ist gleichzeitig Eigentümer einer der größten Kunstsammlungen. Die Zeitschrift Art Review kürte ihn 2006 zur mächtigsten Figur der Kunstwelt.
Wer zum Beispiel die öffentlichen Ausstellungen in seinen Kunsträumen verfolgt, die nahezu ausschließlich mit Werken aus der Pinault'schen Sammlung bespielt werden, der muss bemerken, dass so einiges, was man dort als neueste Kunst präsentiert, nachher dann direkt bei Christie's zu Rekordpreisen veräußert wird. Künstler wie Urs Fischer (41), Rudolf Stingel (57) oder Piotr Uklanski (45) haben so eine ganz andere Bewertung bekommen.
Genauso ist Pinault einer der führenden Sammler von Jeff Koons (59) -- und hilfreich, wenn es darum geht, Koons Präsentationen in Versailles oder in der Retrospektive im Centre Pompidou Ende November zu realisieren. Modeunternehmen sind „Tastemakers"-- mittlerweile nicht nur für die Kleidung der nächsten Saison, sondern auch für die Kunst unserer Zeit.