Kuratorin Martina Weinhart besucht den Galerienrundgang im angesagten Düsseldorfer Stadtteil Flingern. Mehrere Galerien bieten dort ein interessantes Programm an zeitgenössischer Kunst.
Galerienrundgänge haben sich bewährt. Überall schließt man sich zusammen, ob in Wien, in Zürich, in Köln, in Frankfurt oder in Dresden. Das Gallery-Weekend in Berlin hat als Format schon längst die dortige Messe abgehängt. Und das lohnt sich auch für den Besucher. Die Präsentationen sind ambitionierter, konziser und man hat seltener das Gefühl unter einem Berg von Kunst begraben zu werden. So reiht sich Ausstellung an Ausstellung, die man mehr oder weniger zügig abschreiten kann. Das Rheinland hat immer wieder bewiesen, dass es als Kunststandort einiges zu bieten hat und gerade jüngst hat es wieder gewisse Rückwanderungstendenzen aus Berlin gegeben. Was dem Berliner sein Kreuzberg, ist dem Düsseldorfer sein Flingern -- das vom ehemaligen Arbeiterkiez zum angesagten Stadtteil Düsseldorfs gentrifiziert wurde. Rund um Acker-, Linden- und Birkenstraße finden sich nun Designläden, coole Kneipen und eine ganze Reihe interessanter Galerien, die sich einmal im Jahr zu einem gemeinsamen Rundgang zusammenschließen. Um die Doyens der Szene, die Konrad Fischer Galerie, gegründet 1967, nachdem Konrad Fischer seine vielversprechende Karriere als deutscher Pop-Künstler namens Konrad Lueg aufgegeben hatte, um einer der erfolgreichsten Galeristen Deutschlands zu werden, gruppieren sich Galerien wie die aus Karlsruhe zugezogene Kadel Willborn, Linn Lühn, Cosar oder auch Van Horn, die sich engagiert der jungen Kunst widmen.
ris Kadel und Moritz Willborn zeigen Vlassis Caniaris, den "griechischen Kienholz", der sich wie sein US-amerikanischer Kollege in großen skulpturalen Tableaus und kleineren Objektassemblagen den abgründigeren Seiten der Gesellschaft widmet. Caniaris, Jahrgang 1928, schaute mit kritischem Auge auf die Realitäten des Lebens. In seiner Heimat einer der bekanntesten Künstler seiner Generation, gilt er heute außerhalb Griechenlands eher als bei Künstlern beliebter Geheimtipp. Die politischen Gegebenheiten in Griechenland bescherten ihm eine lange Zeit des Exils und brachten ihn schließlich auch nach Deutschland, wo er sich in seiner Arbeit dem Wirtschaftswunder und seinen Folgen widmet. So entstand zwischen 1971 und 1976 in Berlin, wohin ihn ein DAAD-Stipendium verschlagen hatte, die Werkgruppe "Gastarbeiter -- Fremdarbeiter". Für die Ausstellung führte er seinerzeit Interviews mit Migranten, Gewerkschaftern und Wirtschaftswissenschaftlern. Heute bieten seine Arbeiten ein eindrückliches Panorama der sozialen Bedingungen der Zeit. Über den Köpfen der Besucher schwebt in einer Ecke ein kopfloser "Zeuge" (1980) und schaut auf ein scheinbar achtlos weggeworfenes, verrostetes Fahrrad. Im Eingangsbereich versammelt ein beinahe monumentales "Interieur" (1974) die eher ärmlichen Habseligkeiten einer Wohnung. Auf den Sperrmüll warten herausgerissene PVC-Böden, ein leerer Hamsterkäfig oder das Fahrgestell eines alten Kinderwagens.
Die Konrad Fischer Galerie zeigt Mut zur Leere, indem sie sich auf zwei Soundarbeiten konzentriert. Einen Raum widmet man Bruce Nauman, dem amerikanischen Altmeister der Konzeptkunst, dem 1974 die erste Ausstellung in den heutigen Räumlichkeiten gewidmet war, mit einer jüngeren Arbeit aus dem Jahr 2011. "Für Kinder, Für Kinder, Für Kinder" -- hört man hier in einer Endlosschleife. Ein Stockwerk höher vernimmt man die eindrücklichen Töne einer melancholischen Arbeit der in Berlin lebenden Schottin Susan Philipsz, die 2010 den renommierten Turner-Preis unter Verwendung der eigenen Stimme gewonnen hat. Für "War Damaged Musical Instruments (Shellac)" hat sie sich in zahllosen Militärarchiven auf die Suche nach Musikinstrumenten gemacht, die im Ersten Weltkrieg beschädigt wurden. Gefunden hat sie Dinge, wie ein Horn aus einem von einem deutschen U-Boot versenkten britischen Frachter oder eine zerschossene Klarinette. Durch die Beschädigung, aber auch damit sie nicht durch Reflektionen den Standort verraten, wurden Trompete oder Horn oft mit Schellack getarnt und haben schon allein deshalb einen ganz eigentümlichen Klang. Eingespielt hat Philipss das Signal, das das Ende des Kampfes ankündigte, hat es aufgespalten und somit abstrahiert.
Ebenfalls dem Artistic research, der künstlerische Forschung als Werk, widmet sich in der Galerie Van Horn der Düsseldorfer Markus Karstiess. In der Nähe von Rom hat er sich auf die Suche gemacht nach einem verschollenen Werk des früh verstorbenen und von ihm sehr bewunderten Land Art-Künstlers Robert Smithson. Während dessen legendäres Werk "Spiral Jetty", eine monumentale Spirale, die Smithson im Großen Salzsee in Utah angelegt hatte, gehegt und erhalten wurde, war sein "Asphalt Rundown" aus dem Jahr 1969, das er in der Nähe von Rom realisiert hatte, zugemüllt und mit Pflanzen überwuchert. Der Film "Was die Erde sieht" in der Galerie zeigt, wie Karstiess mit bloßen Händen in einem Erdhügel nach den Spuren dieser Arbeit gräbt. Schließlich wurde er fündig und zeigt neben dem Film eine Zusammenstellung aus keramischen Abgüssen der Reste der Fundstücke, sowie eine bisher nie gezeigte Dokumentation, mit der der italienische Fotograf Claudio Abate seinerzeit die Aktion von Smithson mit seinem Fotoapparat in Schwarzweiß festhielt. Karstiess' Archäologie wirft ganz zentrale Fragen auf -- nach der künstlerischen Arbeit, seinen Prozessen. Sie fragt nach dem Umgang mit einer Kunst, die jenseits eines gemalten Bildes an der Wand angesiedelt ist und den es immer wieder neu zu verhandeln gilt.