Kuratorin Martina Weinhart begegnet dem Künstler Terence Koh in blauen Latzhosen im Whole Foods Market in New York. Seine neuen Arbeiten überraschen und lohnen einen ruhigen Blick jenseits von Hype und Markt.
Lange Zeit war es still geworden um Terence Koh. Nach dem unglaublichen Hype um ihn hatte sich der Shooting-Star komplett aus der Kunstwelt zurückgezogen. Seine letzte Ausstellung in New York hatte er 2011 in der Mary Boone Gallery. Auch Frankfurt hatte einen Anteil an diesem Hype. Nur kurz zur Erinnerung: In der SCHIRN war er 2008 mit der strahlend weißen Installation „Captain Buddha“ zu sehen. Darüber hinaus war er rund um den Globus unterwegs, mit dekadenten, nachtschwarzen oder klinisch weißen Installationen, belebt mit provokativen Performances, die nicht selten eine exzessive Komponente hatten.
Sogar für Lady Gaga hatte er ein Klavier entworfen und war mit ihr auf Tour. Dann, kompletter Wandel – aus dem Gay Asian Punk Boy in Balenciaga wird ein völlig anderer. Ich glaubte zuerst an eine Verwechslung, als ich ihn vor einem Jahr zufällig in New York im Whole Foods Market an der Lower Eastside in blauer Farmer-Latzhose traf. War es aber nicht. Er war aus New York in die Catskill Mountains, Upstate New York aufs Land gezogen und erzählte mir begeistert von einer Installation, an der er dort experimentierte, die lebendige Bienen als Hauptbestandteil hatte. Das klang überraschend anders.
Jenseits der Fragen um Hype und Markt
Nun ist diese Installation in den neuen Räumen der Andrew Edlin Gallery an der Bowery im wiederum hippen Galerie-Viertel rund um das New Museum zu sehen. Überraschend auch das. Ist die Edlin Gallery doch vor allem für ihre Kompetenz im Bereich der Outsider Art bekannt. Andrew Edlin leitet darüber hinaus auch die Outsider Art Fair. In dieser Galerie hat Koh nun seine "bee chapel" aufgebaut und erlebt damit ein fulminantes Comeback mit maximaler Aufmerksamkeit. Alle sind da, und nicht wenige schreiben darüber: Von Artforum bis Art in America, von Interview Magazine bis zur ehrwürdigen New York Times.
Und doch lohnt es sich, jenseits der Fragen um Hype und Markt und künstlerische Strategien innerhalb dieser Gemengelage, diese Arbeit genauer anzusehen. Denn sie ist wirklich phantastisch. Terence Koh entfaltet in der Galerie seine sehr spezielle Version des Garten Eden. Ein dunkler Raum in rotem Licht mit umgestürztem Apfelbaum (Sündenfall?) ist voll von verstörenden Vibrationen. Ein tiefer brummender Sound geht direkt in den Magen. Nur an einer einzigen Stelle, einem kleinen Lichtpunkt neben der Gabelung zum Wipfel tritt man in den „cone of silence“. Ein Ort der Stille inmitten des terrorhaften Brummens.
Nichts als friedliche Koexistenz
Dann der nächste Raum mit dem pièce de résistance – über eine Treppe aus gestampftem Lehm erklimmt man eine kleine Hütte, die Platz für genau eine Person bietet. Man sitzt dort im Dämmerlicht. Es riecht nach Honig. Und auch hier brummt es. Der Blick nach oben zeigt, mit wem man sich diese kleine Höhle teilt. Kaum 20 Zentimeter über dem Kopf wimmeln die Bienen, nur getrennt von mir durch ein engmaschiges Metallnetz. Das ist ein rares Erlebnis. Kein Gefuchtel, keine Angst vor Stichen, nur relaxte Nähe zu den sonst kritisch beäugten Insekten. Kurz: Nichts als friedliche Koexistenz.
Und da kommt wieder der Garten Eden ins Spiel, denn friedliche Ko-Existenz ist ein wirklich paradiesischer Zustand. Terence flankiert diese Räume mit allerlei Objekten und Fundstücken zu sozialem Engagement oder zivilem Ungehorsam, sichtbar gemacht durch die notorischen Meinungsbuttons: When Women vote, Democrats win! Bernie for president! All Aboard for Bernie! No to Gulf War! Let’s Legalize Pot! oder Muslim Say Yes to Womens Rights!
Utopia. Ordnung und Chaos. Der Bienen-Staat als Metapher, all das schwingt in dieser komplexen Installation mit. Gesellschaftliches Engagement mit spirituellen Aspekten ist dann auch in der Performance zu spüren, die Terence darin veranstaltete. Mit einer Klangschale wandert er singend durch den Raum, schließt sich in der bee chapel ein. Wir draußen hören nur einen eigenartigen Singsang, der aus den Namen der Opfer des Massakers in Orlando besteht. Terrence betete in der bee chapel für sie.