Kuratorin Martina Weinhart besucht den Künstler Peter Saul, der in Upstate New York im Alter von 81 Jahren noch Trampolin springt und jeden Tag an seinen Gemälden arbeitet.
London, Paris, New York – das sind die gängigen Ziele, sozusagen die „üblichen Verdächtigen“ des Kunstreisezirkus. Gut für die Kuratorin ist es in jedem Fall, wenn sie auch jenseits der ausgetretenen Pfade unterwegs ist. Für den US-amerikanischen Künstler Peter Saul gilt das ein Stück weit auch. Peter Saul werden wir im kommenden Sommer – parallel zur documenta 14 – in einer Einzelausstellung in der SCHIRN präsentieren.
Aufregend für Peter und für uns alle etwas Besonderes, wird dies doch die erste große Einzelausstellung für Peter in Europa sein. Der heute 81-jährige Künstler ist eine typischer "Artist’s Artist" – ein Star unter (vor allem jüngeren) Kollegen. Eric Fischl, Raymond Pettibon, KAWS, Joe Bradley oder Jim Shaw sind seine Fans. Der breiten Öffentlichkeit ist er jedoch noch weitgehend unbekannt.
Respektlos im besten Sinne
Vielleicht darf ich deshalb kurz vorstellen: Abenteuerlustig war er nach der art school in Europa unterwegs, lebte in Amsterdam, Paris und Rom, um danach nach San Francisco zurückzukehren. 1967 nahm er an der heute legendären Funk-Ausstellung im University Art Museum in Berkeley teil, die die jüngste Produktion der Bay Area vorführte. Peter Saul hat sich respektlos im besten Sinne vor dem Hintergrund von Beat Generation und Gegenkultur den Dingen des Alltags zugewandt.
Pop war das Stichwort. Witz, Slapstick, Sprachspiel, Comic, Persiflage, oft auch derber Humor sind die Mittel seiner karikaturhaften Angriffe auf Hochkultur und Establishment. Lange Bevor „Bad Painting“ in aller Munde war, verletzte Peter Saul ganz bewusst den sogenannten „Guten Geschmack“. Superman on the toilet – why not? Und absolut eigenwillig blieb er dabei. Die Moden in der Kunst wechselten vielleicht, Peter aber beharrte auf seinem Stil und seinen Inhalten.
Weitab vom Schuss
Und er malt heute noch jeden Tag. Ich konnte mich selbst davon überzeugen, als ich ihn neulich in seinem Atelier in Germantown besucht habe, um in seinem Archiv für unseren Katalog zu recherchieren. Gerade bereitet er seine aktuelle Ausstellung im Herbst in London vor. Friedlich und konzentriert arbeiteten wir Seite an Seite, er im ersten Stock, ich im unteren Kataloge, Fotos und alte Einladungen sichtend. Für einen Kurator ist das ein absolutes Privileg – nicht nur das fertige Produkt zu sehen, sondern beim Entstehen der Kunst dabei zu sein, ermöglicht nochmal tiefere Einblicke.
Die Konzentration war ein wenig auch dem Ort zu verdanken. Weitab vom Schuss in Germantown – Upstate New York – im Hudson Valley hat Saul sein Studio. Ländlich scheint es, aber hier in der Gegend sind viele Künstler zu finden. Der New-Yorker Kunststar Brice Marden betreibt unweit in Tivoli sogar ein charmantes kleines Hotel. In Germantown selbst war ein anderer Kunststar des 19. Jahrhunderts zu Hause – Frederic Edwin Church.
Heute noch kann man Olana, die persisch angehauchte feudale Residenz des Landschaftsmalers und Freundes von Alexander von Humboldt besuchen. Jetzt ist die Villa allerdings ein Museum. Auch ganz in der Nähe: Annandale-on-Hudson, wo im Bard College die nächste Generation der Kulturschaffenden ausgebildet wird. Nächsten Sommer heißt es dann: von Germantown nach Germany.