Kuratorin Ingrid Pfeiffer traf Yoko Ono bei der Kokoschka-Preisverleihung in Wien und zeigt sich von gleich zwei Ausstellungen positiv überrascht.

Eine riesige Leinwand und darauf der nackte Körper einer Frau, über deren intimste Stellen eine Fliege läuft. Dazu ein irritierender Gesang, eher Geräusch als Musik – diese Vorführung des berühmten Films „Fly“ von Yoko Ono aus dem Jahr 1969 wird wohl niemand so schnell vergessen, der dabei war: Am 1. März erhielt Yoko Ono in Wien den Oskar Kokoschka-Preis. Zu diesem Anlass und zwischen den unterschiedlichen Ansprachen wurden mehrere Filme von ihr und über sie gezeigt. Die Zeremonie fand im großen und gut gefüllten Saal des „Gartenbaukinos“ in Wien statt, gefolgt von einem Dinner im engeren Kreis im Hotel Sacher. Den renommierten Preis haben vor Ono seit 1980 eine Reihe bekannter Künstler erhalten, darunter Gerhard Richter, William Kentridge und Ilya Kabakov, aber auch Künstlerinnen wie Agnes Martin, Maria Lassnig und Martha Rosler.

Yoko Ono begeistert

Valie Export, auch eine frühere Kokoschka-Preisträgerin, hielt in diesem Jahr die Laudatio und berichtete, wie sehr sie einzelne Werke Yoko Onos bereits in den 1960er-Jahren bewundert hat. Export war insofern eine ideale Rednerin zu diesem Anlass, als sich in ihren feministischen und gesellschaftspolitischen Arbeiten viele Parallelen zu der Generation von Yoko Ono finden. In Wien gab es auch gerade eine Ausstellung von Valie Export in der Galerie Charim – eine gute Gelegenheit, mir hier noch bisher unbekannte Arbeiten der bedeutenden österreichischen Künstlerin anzuschauen.

Eine irritierende Rede

Yoko Ono bedankte sich an jenem Abend nicht nur für den Preis, sondern hielt eine Rede auf Deutsch und Englisch mit einem für das Publikum zunächst irritierenden Text:

SAG HEIL
An meine Freunde aus Österreich:

Sag Heil
Wenn Du nicht Heil sagen kannst,
flüstere Dir selber zu, so wie Deinen Liebsten, so wie Deinen Kindern.

Heile mich.
Heile Dich.

Heile unsere Liebe
Heile unser Leben
Heile Wien
Heile Österreich
Wir werden alle zusammen heilen.

Unsere Welt versucht, sich jetzt zu heilen.
Aber wenn Du das Wort Heil nicht sagen kannst, dann kannst Du nicht am Heilungsprozess teilnehmen.

Wir brauchen Dich. Deine Energie. Deine Weisheit. Deine Liebe.
Zusammen, lasst uns unser Universum heilen, das müssen wir.

SAY HEAL
To my friends in Austria:

Say Heal
If you cannot say heal,
Just whisper to yourself, to your loved ones, and to your children.

Heal me.
Heal you.

Heal our love
Heal our life
Heal Vienna
Heal Austria
We will all heal together.

Our world is now trying to Heal itself.
Unless you can say the word Heal,
you cannot participate in the process of healing the world.

We need you. Your energy. Your wisdom. Your love.
Together, let’s heal our Universe.  We must.

Yoko Ono sagte mir später, dass ihr völlig klar war, wie irritierend und überraschend ein Wort wie „Heil“ auf ein deutsches bzw. österreichisches Publikum wirken muss. Die verschiedenen Bedeutungen und Konnotationen sind ihr durchaus bewusst und alle Worte waren genau gewählt. Aber es ist typisch für sie, nicht davor zurück zu schrecken, sondern sozusagen den Finger direkt auf den wunden Punkt zu legen … Diese Künstlerin ist jemand, an dem sich seit ihren Anfängen in den frühen 1960er Jahren die Geister scheiden konnten – kaum jemand hat so viel Ablehnung provoziert und ist so bekämpft worden wie sie!

Zum Geburtstag eine Retrospektive

In einem knappen Jahr, am 14. Februar 2013 und anlässlich ihres 80. Geburtstags am 18. Februar wird die SCHIRN eine umfassende Retrospektive zum Werk Yoko Onos zeigen. Die Idee dazu kam mir vor rund eineinhalb Jahren, und es lässt sich jetzt schon absehen, dass diese Ausstellung die unterschiedlichsten Debatten hervorrufen wird. Doch warum auch nicht? Die Auswahl der gezeigten Werke – Bilder, Objekte, Installationen, Filme, Fotos, Texte, Musik und Arbeiten im öffentlichen Raum – steht schon fest. Ono war letztes Jahr einmal in Frankfurt, um sich die SCHIRN anzusehen und ich habe sie zweimal in New York besucht. Auch die Tournee in Europa ist fixiert: Weitere geplante Stationen sind das Louisiana Museum in Dänemark, die Kunsthalle Wien und das Guggenheim Bilbao. Diese Ausstellung wird eine Überraschung, davon bin ich jetzt schon überzeugt. Doch viel mehr soll zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht verraten werden!

Nichts auszusetzen!

Wien war wie immer ein Erlebnis: Eine traumhafte Ausstellung gab es im MUMOK zu Claes Oldenburg. Wir hatten 2002 in der Schirn in der „Shopping“-Ausstellung mehrere Werke aus seinem berühmten „Store“ der 1960er Jahre, und es war schön, sie dort wieder zu sehen, etwa den zauberhaften „Lingerie-Counter“. Die Ausstellung wird nach Köln ins Museum Ludwig wandern und ist ein absolutes Highlight, das nur möglich war, weil einige besonders fragile Arbeiten noch im Besitz des Künstlers sind. Museen hätten sie vermutlich nie mehr ausgeliehen … Fantastisch wie immer auch die Albertina mit einer Impressionismus- und Postimpressionismus-Ausstellung. Wunderschön gehängt, gut beleuchtet und beschriftet, einfach vorbildlich. Da ich mir immer in anderen Museen sehr genau anschaue, was und wie sie es tun, gab es hier mal gar nichts auszusetzen!

Bei einem Ausflug zur Kunsthalle nach Krems, etwa eine Stunde von Wien entfernt, beteiligte sich Yoko Ono mit einer Performance (sie malte Kalligraphien an die Wand) an der dort aktuell gezeigten „Wunder“-Ausstellung, die vorher in den Deichtorhallen in Hamburg zu sehen war. Es war interessant, diese vielfältige und von rund 50 sehr unterschiedlichen Künstlern geprägte Ausstellung in den für mich neuen Räumen in Krems zu sehen, denn die Kunsthalle hat einen guten Ruf und der Abend war sehr gelungen.