Die Regisseurin Isabell Suba im Interview über Frauen im Film.
Es ist unser aller Aufgabe – der Produzentinnen und Regisseurinnen –, auf den Putz zu hauen, um die staubige Schicht Rollenmuster unserer Väter und Mütter zu überwinden.
Die Regisseurin Isabell Suba hat es geschafft: Einer ihrer Kurzfilme läuft auf einem der größten Filmfestivals der Welt, den Internationalen Filmfestspielen in Cannes. Doch auf den Festspielen an der Côte d’Azur, das zu den weltweit wichtigsten seiner Art gehört, erwartet sie vor allem Chaos, Streit, ein überbuchtes Hotel und ihr chauvinistischer Produzent David. Mit letzterem versucht sie Financiers für ihr neues Filmkonzept zu gewinnen, doch statt sich gegenseitig zu unterstützten, behindert sich das zweckgemeinschaftliche Duo viel häufiger. Zwar handelt es sich hier um die Handlung ihres Langspielfilmdebüts „Männer zeigen Filme und Frauen ihre Brüste“, doch ist diese vielmehr als eine reine Fiktion: eine pointierte Betrachtung des männerdominierten Filmbusiness nämlich, die Selbstversuch und Satire vereint. Entstanden ist Subas Film in wenigen Tagen, mit viel Improvisation und den zwei Schauspielern Anne Haug sowie Matthias Weidenhöfer, die ebenso wenig wie Suba Angst davor hatten, sich gegebenenfalls mit den Machern der Filmfestspiele anzulegen.
„Männer zeigen Filme und Frauen ihre Brüste“ macht den Sexismus und die mangelnde Präsenz, mit denen Regisseurinnen zu kämpfen haben, erfahrbar. Aber ebenso die Steine, die sich die junge Regisseurin selbst in den Weg legt. Damit leistet Isabell Suba einen wichtigen Beitrag im Einsatz für eine größere Anerkennung von Regisseurinnen – und avanciert zu einer weiteren STURM-FRAU des 21. Jahrhunderts. Im Interview gibt Isabell Suba einen Einblick in ihre Arbeit:
Dein Filmtitel „Männer zeigen Filme und Frauen ihre Brüste“ referiert den Protestbrief "Frauen zeigen in Cannes ihr Gesicht, Männer ihre Filme", mit dem die drei Regisseurinnen Coline Serreau, Virginie Despentes und Fanny Cottencon 2012 das Filmfestival in Cannes für dessen fehlende Anerkennung bzw. die fehlende Präsenz von Filmemacherinnen auf dem Festival anprangerten. Inwiefern stimmen ihre Erfahrungen mit deinen eigenen überein?
Isabell Suba: Diskriminierung, also Vorurteile sind oft unterbewusste, anerzogene Überzeugungen, die selten erlauben, neue Erfahrungen zu machen. Zu diesen gehört auch, dass Frauen im Filmbetrieb weniger zugetraut wird als Männern. Die großen Budgets gehen an die Jungs, weil wir in einer Gesellschaft leben, in der unser stereotypisches Denken Männern mehr Mut, Selbstbewusstsein und Machtbestreben zuschreibt. Legt eine Frau ähnliche Verhaltensweisen an den Tag, ist sie unverschämt, mannsweibisch oder gierig. Diese Vorurteile sind international.
Bei Filmen wie „Männer zeigen Filme und Frauen ihre Brüste“ bewegst du dich zwischen Dokumentation und Inszenierung. Warum wählst du diese (vermeintliche) Gleichsetzung mit deiner Person?
Isabell Suba: Ich hatte keine andere Wahl. Als ich überlegt habe, was ich in Cannes machen kann, schien die beste Idee, die Kulisse als Filmset und ein Alter Ego zu nutzen, das eine komplett neue Frauenrolle darstellt. Die neurotische laute Frau, die an sich selbst scheitert, ohne dass sie einen Eisbecher Schokolade vertilgen muss. Sie ist einfach verzweifelt, weil sie nicht bekommt, was sie will.
Cannes sagt, es gäbe keine Filme von Frauen, also könnten sie auch keine zeigen. Sie machen es sich leicht, wie es immer leicht ist, dem Opfer die Schuld zu geben. Es ist unser aller Aufgabe – der Produzentinnen und Regisseurinnen –, auf den Putz zu hauen, um die staubige Schicht Rollenmuster unserer Väter und Mütter zu überwinden.
Hat sich in den letzten Jahren etwas verändert?
Isabell Suba: Das öffentliche Interesse ist geweckt und das ist das Wichtigste. Durch die Arbeit der ProQuote-Regie-Frauen bewegt sich etwas bis in die politischen Ebenen, wie beispielsweise die ausstehende Novellierung des Filmfördergesetzbuches, in das ein Gleichstellungsparagraf eingefügt werden soll. Wenn die FFA [kurz für die Filmförderungsanstalt, Anm.d.Red.] als Schlachtschiff in diesem Krieg voranfährt, folgt auch der Rest der Flotte. Dann natürlich die 20-Prozent-Quotierung der ARD und Degeto [die gemeinsame Filmeinkaufsgesellschaft der ARD, kurz für Deutsche Gesellschaft für Ton und Film, Anm.d.Red.]. Es ist ein guter Anfang. Es schafft Selbstvertrauen, das wiederum Einfallsreichtum fördert.
"Männer zeigen Filme und Frauen ihre Brüste" ist 2012 während des Filmfestivals in Cannes entstanden, als dort dein Kurzfilm „Chica XX Mujer“ als Teil der „German Films“ lief. Auf der Website nennst du den Film ein „feministische[s] 5 TAGE GUERILLA PROJEKT“ – was bedeutet Feminismus im Jahre 2016 für Dich?
Isabell Suba: Feminismus bedeutet für mich heute vor allem Bewusstsein. Früher mussten sich Frauen abgrenzen und desintegrieren, um überhaupt eine eigene Identität und Gehör zu erlangen. Denn sie waren nichts wert; sie unterstanden den Männern. Diese Zeiten sind zumindest in den westlichen Ländern vorbei. Darum sehe ich mich als Teil einer Bewegung für Menschenrechte. Diese darf nicht aufhören, so lange bis es selbstverständlich ist, dass unsere Söhne nicht mehr herumrennen und rufen: ‚Mädchen können nicht auf Bäume klettern’ und die Mädchen das glauben.
Was willst du in Zukunft in Filmen sehen? Was nicht mehr?
Isabell Suba: Ich freue mich, wenn ich überrascht werde. Filme sind doch ein Eintauchen in andere Welten, also warum muss ich mir immer dieselben Klischees ansehen?! Was ist neben dem Mainstream an anderen Lebensformen vorhanden und wie kann das auch für den Mainstream interessant sein? Ich wünsche mir Filme, die mich auffordern, nachzudenken. Und da macht es Sinn, bei sich und den eigenen Vorurteilen anzufangen.
Was treibt dich an, Filme zu drehen? Was können Filme aussagen, bewirken etc., was andere Medien vielleicht nicht können?
Isabell Suba: Dadurch, dass Filme unsere Realität so sehr abzeichnen und dennoch eine Parallelwelt sind, befreien sie uns vom Alltag, schenken Größe, lassen uns Anteil an dem nehmen, was Menschen am meisten interessiert: andere Menschen. Ein Australier, der mal bei mir gewohnt hat, sagte am Ende zu mir: ‚Isabell, you are a people person.’ Und ich denke, das ist der Grund, warum ich Filme so liebe. Ich kann die Welt so bauen wie ich will. Ich kann in die tiefsten Tiefen menschlicher Seelen und Verhaltensweisen abtauchen und mich dabei reflektieren.
Woran arbeitest du aktuell?
Isabell Suba: An meinem zweiten Film, an einem anderen TV-Film, an einem Förderprogramm für junge Regisseurinnen, an dem, wie es aussieht, fast alle Filmhochschulen Deutschlands mitmachen. Das Programm sieht zum Beispiel vor, Nachwuchsregisseurinnen vom Studium aus direkt mit dem Filmbetrieb zu verknüpfen.
Die Ausstellung „STURM-FRAUEN“ in der SCHIRN Kunsthalle hebt aktuell die bis dato kaum beachteten Frauen der STURM-Bewegung hervor. Welche Frauen sind deine Vorbilder, also gewissermaßen „deine STURM-FRAUEN“ der Gegenwart?
Isabell Suba: Die Agentin Andrea Lambsdorff, die Regisseurin Julia von Heinz, die Dramaturgin Regine Kühn und die ProQuote-Frauen bewundere ich für ihren Mut und ihre Pionierarbeit. Außerdem: Cate Shortland als Filmemacherin, Frida Kahlo für ihr Lebenswerk, Meryl Streep (wer nicht?), die ermordete Journalistin Anna Politkovskaya aus Russland für ihre Unbeugsamkeit, Umweltpolitikerin Wangari Maathai aus Kenia für zahlreiche Einsätze und die iranische Anwältin Shirin Ebadi, die permanent mit Morddrohungen zu kämpfen hat, zu Unrecht verhaftet wurde und schlussendlich den Friedensnobelpreis bekommen hat. Christine Vachon bewundere ich als Filmproduzentin, Joanne K. Rowling für ihr gigantisches Werk, Christa Wolf für ihre Tiefe und die scharfsinnige Wahrheit, Elfriede Jelinek für ihre neue Stimme, Simone de Beauvoir, Maren Ade als Regisseurin. Ich verehre Marina Abramović, die Astronautin und Kampfpilotin Samantha Cristoforetti und so viele mehr ...