Ein eigenes Unternehmen führen, dabei selbst kreativ sein und parallel drei Kinder großziehen? Badia Ouahi und Teimaz Shahverdi schaffen diesen Spagat jeden Tag aufs Neue. Ein Gespräch über eine große Chance, viel Mut, Kompromissbereitschaft und den Alltag mit Kindern.
Es ist Sonntag gegen 10:30 Uhr im BADIAS Kitchen. Einige Tische sind noch leer, auf vielen stehen Schilder mit der Aufschrift „Reserviert”. Wir sind mit Badia Ouahi und Teimaz Shahverdi zum Interview verabredet. Badia, Namensgeberin und Chefin des Restaurants an der SCHIRN, hat uns bereits entdeckt. Sie läuft im Slalom an Tischen und Stühlen vorbei, grüßt im Vorbeigehen ein paar Gäste – und steht schließlich vor uns: „Schön, euch zu sehen! Teimaz und die Kinder sind auch schon da.” Sie deutet zum Tresen und verschwindet dann kurz in der Küche, um eine Bestellung für ihre Söhne aufzugeben. Giv, mit 16 Jahren der Älteste, steht hinter der Bar, wo er seit kurzem an den Wochenenden arbeitet. Mit routinierten Handgriffen stellt er Tassen und Gläser für die Cappuccini und Säfte bereit, die die Gäste bestellt haben. Saam (13) und Zav (9) haben auf den Hochstühlen vor der schwarz-weißen Dschungeltapete Platz genommen. Da wird auch schon ein Teller mit fluffigen, karamellfarbenen Pancakes serviert, angerichtet mit einer Schicht Blaubeersauce, getoppt von einer weißen Créme mit Pistaziensplittern.
Rund 150 Gäste finden in BADIAS Kitchen Platz. 25 Mitarbeiter*innen kümmern sich von Dienstag bis Sonntag um das Wohl der Gäste. Das Restaurant ist ein „Apparat”, wie Badia Ouahi selbst sagt. Als die studierte Sozialpädagogin im Dezember 2014 das Angebot bekam, das damals leerstehende SCHIRN Café zu übernehmen, ahnten sie und ihr Partner Teimaz Shahverdi noch nicht, wie sehr diese Entscheidung ihr ganzes Leben verändern würde. Ihr jüngster Sohn Zav war damals gerade ein Jahr alt, Saam war mit vier Jahren noch im Kindergartenalter. Und Shahverdi steckte mitten in seiner Diplomarbeit an der Hochschule für Gestaltung Offenbach. In der Frankfurter Szene realisierte er zudem verschiedene Projekte an den Schnittstellen von Kunst, Mode, Design und Musik.
Das Angebot, das Café der SCHIRN zu übernehmen, hat euren Alltag damals von heute auf morgen auf den Kopf gestellt. Erzählt uns davon.
Teimaz: Anfangs wussten wir nicht, ob wir das hinkriegen. Die Kinder waren noch klein und ich steckte mitten in meinem Diplom … Als wir uns dann entschieden haben, es zu versuchen, war klar, dass Badia vor allem in der Anfangszeit rund um die Uhr im Café sein muss. Trotzdem sollte es den Kindern an nichts fehlen. Also habe ich quasi von heute auf morgen alle laufenden Projekte abgebrochen und die Betreuung übernommen. Parallel habe ich mein Diplom gemacht.
Badia: Teimaz musste beruflich auf die Bremse treten, damit ich losfahren konnte. Nur so konnte ich mich auf das konzentrieren, was ich machen wollte: gutes Essen. Vor allem am Anfang war es wirklich viel Arbeit – ich hatte ja noch kein Konzept. Außerdem ist das mein erster Laden in dieser Größe, vorher habe ich hauptsächlich Catering gemacht. Ohne die absolute Rückendeckung von Teimaz hätte ich das nicht geschafft.
Seitdem sind einige Jahre vergangen. Eure Kinder sind heute 9, 13 und 16 Jahre alt. Wie blickt ihr auf diese Zeit zurück?
Teimaz: Wir haben alles erreicht, was wir uns vorgenommen hatten: Badia hat den Laden übernommen, ich habe mein Diplom gemacht und die Kinder versorgt. Trotzdem ist manches auf der Strecke geblieben. Vor allem Giv und Saam mussten früh selbstständig werden.
Badia: Was die Kinder betrifft, habe ich in den ersten Jahren auf vieles verzichtet. Das war nicht immer leicht. Aber zum Glück kam irgendwann die Routine und ich hatte wieder mehr Zeit für die Familie. Inzwischen bin ich sonntags und montags zu Hause. Dienstags ab 16 Uhr auch. Die anderen Tage variieren – in der Gastronomie ist kein Tag wie der andere.
Was machst du heute beruflich, Teimaz?
Teimaz: Jetzt, wo die Jungs größer sind, verspüre ich den Drang, wieder etwas Eigenes zu machen. Mit Azita.Studio habe ich mir eine Spielwiese für Themen geschaffen, die mich interessieren. Momentan arbeite ich an einem Ausstellungskonzept zum Thema Nachhaltigkeit in der Möbelbranche. Parallel habe ich Themen auf dem Tisch, für die Badia im Tagesgeschäft keine Zeit findet: Foto- und Videoproduktionen für den Social-Media-Kanal zum Beispiel. Oder den Webshop, den es bald von BADIAS Kitchen geben wird.
Und was glaubt ihr: Inwiefern werden eure Kinder durch das kreative Umfeld, in dem sie aufwachsen, geprägt?
Badia: Durch die Nähe zur SCHIRN wachsen sie mit einer gewissen Weltoffenheit auf. Sie kommen mit Künstlern und Kreativen aus der ganzen Welt in Kontakt und erleben bei uns, dass man nie einschlafen darf und immer etwas Neues bringen muss.
Teimaz: Ich würde trotzdem sagen, dass sie nicht sonderlich kreativ sind – obwohl wir das natürlich immer irgendwie gefördert haben. Wahrscheinlich machen Kinder einfach aus Prinzip nicht das, was ihre Eltern cool finden (lacht).
Giv, euer ältester Sohn, arbeitet samstags im BADIAS an der Bar. Bildet ihr schon eure Nachfolger aus?
Teimaz: Tatsächlich hat er die Bar selbst für sich entdeckt und sich innerhalb kurzer Zeit zum Barchef-Assistenten gemausert. Wir finden das toll und unterstützen das. Ich sage immer: Wenn du das von der Pike auf lernst, kannst du überall auf der Welt Geld verdienen. Egal, wo du später studierst: Du wirst mit Handkuss genommen und kannst super schnell Kontakte knüpfen.
Badia: Nach einer schwierigen Phase, ich glaube man nennt das Pubertät (lacht), ist Giv heute sehr gerne im Laden. Ich finde es total schön, dass er jetzt Teil des Familienbetriebs ist. Trotzdem ist es uns wichtig, dass er die Schule zu Ende macht.
Habt ihr einen Berufswunsch für eure Kinder?
Teimaz: Es ist nicht so, dass wir sagen: Du musst Anwalt oder Ingenieur werden. Sie sollten ihre Passion selbst finden.
Badia: Da ich selbst keinen geradlinigen Lebenslauf hatte, bin ich eine Verfechterin des zweiten Bildungsweges. Ich denke, man sollte vieles ausprobieren. Nur so kann man herausfinden, was einem liegt – und was nicht. Giv ist heute mit seinen 16 Jahren viel weiter als ich damals. Die heutige Generation hat sowieso viel mehr Möglichkeiten.
Wer schon einmal mit Kindern im BADIAS war, weiß: Es ist eines der wenigen Restaurants, in die man gehen kann, ohne ständig das Gefühl zu haben, zu stören. Ist das Teil des Konzepts?
Badia: Auf jeden Fall! Als Mutter weiß ich, dass es manchmal eine Herausforderung ist, Kinder fürs Museum zu begeistern. Aber wenn sie dann bei uns eine hausgemachte Himbeerlimonade bekommen, sind die meisten zufrieden. Auch Familien mit kleinen Kindern sind bei uns willkommen. Hier muss sich niemand gestresst fühlen, wenn mal Essen auf den Boden fällt. Das gehört in einem gewissen Alter einfach dazu. Die Kids bekommen bei uns etwas zum Malen, und wenn ich Zeit habe, nehme ich sie mit in die Küche, wo sie sich frische Orangenschnitze oder Beeren holen können. Man könnte es so sagen: Meine Mitarbeiter kümmern sich um die Erwachsenen. Ich kümmere mich um die nächste Generation (lacht).
Habt ihr auch Berührungspunkte zur MINISCHIRN?
Badia: Wenn die MINISCHIRN geöffnet ist, merken wir das. Viele Frauen treffen sich bei uns nach dem Ausstellungsbesuch auf eine Tasse Kaffee. Die Kinder spielen nebenan und die Mütter können sich mal in Ruhe austauschen. Zav war früher auch regelmäßig dort, er gehörte schon fast zum Inventar (lacht). Ich finde es wichtig, dass Eltern die Möglichkeit bekommen, neue Eindrücke zu sammeln und sich inspirieren zu lassen. Auch ich besuche regelmäßig die Ausstellungen und hole mir Inspiration für mein Leben – und für die neue Speisekarte.
Du orientierst du dich bei deinen Gerichten also am Programm der SCHIRN?
Badia: Eigentlich immer. Zu Chagall hatten wir zum Beispiel viel französische Küche, geschmorte Rinderbäckchen oder Muscheln. Klassiker, die man sich zu Hause nicht macht. Es gab auch schon Kooperationen mit Künstlern, die sich eine bestimmte Küche wünschen.
Vielen Dank für das Gespräch!