Mal abgesehen von Darstellungen der Madonna mit Kind, sind Mütter seltene Bildmotive in der Kunst. Ein Interview mit Künstlerin Najja Moon, die der Mutterschaft ein Denkmal errichtet hat.
Najja Moon, Kulturschaffende und Künstlerin aus Miami, ist die zweite von fünf Künstlerinnen, mit denen wir uns anlässlich unserer umfassenden Retrospektive der Arbeiten von Paula Modersohn-Becker zusammengesetzt haben, um über das Thema Mutterschaft in ihren Arbeiten zu sprechen. Ebenfalls Teil der Reihe sind Interviews mit Hannah Cooke, Clarity Haynes, Lenka Clayton und Laxmi Hussain.
In ihren Arbeiten nutzt Moon Texte und Zeichnungen, um die Überschneidungen zwischen queerer Identität, Körper und Bewegung, Black Culture sowie enge Beziehungen sowohl persönlicher wie gesellschaftlicher Natur zu erforschen. Mit ihrer Installation „Your Momma’s Voice in the Back of Your Head” hat sie der Mutterschaft ein Denkmal in Miami Beach, Florida errichtet.
Najja, kannst du uns ein bisschen was über diese bestimmte Arbeit aber auch über deine Kunstpraxis im Allgemeinen erzählen?
„Your Momma’s Voice in the Back of Your Head“ ist in Reaktion auf einen offenen Aufruf des The Bass Museums in Miami Beach entstanden. 2021 ist das erste Jahr dieser neuen Serie, genannt New Monument, in der das Museum eine Reihe von Fragen anstößt darüber, was ein Denkmal können und/oder sein muss. Ich habe meine Kunstpraxis schon immer als utilitaristisch gesehen. Ich denke, dass Objekte und Bilder, die ich mache, einen praktischen Nutzen haben sollten für mich und/oder die Öffentlichkeit. Dementsprechend hatte ein Projekt rund um Monumente für mich besonders viele Synergien. Denkmäler als Ort dienen zur Katalyse von Erinnerungen. Mein Hauptziel war es, so ehrlich wie möglich über die Unbeständigkeit sowie die Düsterkeit und gleichzeitig Freude von Erinnerungen zu sprechen. Außerdem wollte ich so viele Einstiegspunkte in die Arbeite wie möglich schaffen, so dass das Denkmal nicht nur einer bestimmten Kategorie von Personen dient.
Eine Sache, über die ich besonders viel im Rahmen dieser Arbeit gesprochen habe, ist, dass ich denke, dass wir alle „Denkmäler für unsere Mütter in unseren Gedanken errichten“. Es gibt Anfeuerungen und Warnungen, Beleidigungen oder Geschichten, die in unseren Köpfen nachhallen und die wir einfach nicht loswerden. Diese Arbeit war ein Versuch diese Psychologie in physischer Form nachzuempfinden. Die Audio-Komponente wiederholt absichtlich immer und immer wieder jene Sätze, die ich von der Öffentlichkeit eingeholt habe, während die Form selbst mit einem dichroitischen Film überzogen ist, ein Material, das zugleich reflektiert und transparent ist. Dies erzeugt ein visuelles Erlebnis, das die sich immer weiter entwickelnde Beziehung zwischen Mutter und Kind besonders gut nachahmt. Es gibt Momente, in denen wir uns selbst in ihr (unserer Mutter) sehen und Momente, in denen wir einfach durch sie hindurchschauen.
Wow, das ist ein wirklich starkes Bild! Wie würdest du sagen hat dich das Thema Mutterschaft in deiner Arbeit beeinflusst?
Ich glaube nicht, dass ich Mutterschaft direkt als Thema bereits erkundet habe, allerdings ist meine Mutter eine große Inspiration für mich. Während sich meine Praxis erweitert und entwickelt, sehe ich immer mehr von ihrem Einfluss in meiner Arbeit und ich habe auch angefangen sie in meine Arbeiten miteinzubinden.
Ich verstehe. Paula Modersohn-Becker war eine der ersten Künstler*innen, die das Thema Mutterschaft systematisch angegangen ist, indem sie sich selbst während der Schwangerschaft sowie Kinder und Mütter zu Beginn des 20. Jahrhundert porträtiert hat. Ist Mutterschaft – schwanger werden, gebären, Kinder aufziehen – immer noch ein Tabu Thema in der Kunst heutzutage?
Ich stelle meiner Antwort mal ein „Ich habe keine Ahnung“ voran. Ich habe Glück, dass ich Teil einer diversen Femme Gemeinschaft bin, die auch viele Mütter beinhaltet, die Herausragendes leisten, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Deshalb habe ich Mutterschaft ehrlich gesagt nie als Tabuthema betrachtet. Als queere Frau muss ich allerdings auch sagen, dass ein ganz anderes Level an Auseinandersetzung und Planung involviert ist, bevor man überhaupt zum Kinder-haben-Teil kommt.
Wir brauchen definitiv (mehr) Mütter, die die Kunstwelt aufmischen! Wie war die Reaktion der Zuschauer auf das Thema Mutterschaft in deiner Arbeit?
Es gab eine unglaublich positive Resonanz auf die Arbeit. Allerdings, muss ich rückblickend sagen, auch ein bisschen eindimensional. Viele Diskurse haben sich vor allem auf die Wohlfühl-Beziehung zu meiner eigenen Mutter bezogen und dabei oft Themen wie Misogynie sowie den sozialen und sozio-ökonomischen Druck, der dazu führt, dass komplexe und auch ungesunde Beziehungen zwischen Müttern und Kindern entstehen völlig außen vor gelassen.
Sehe ich auch so, es ist absolut notwendig das Thema Mutterschaft/Mütter/Kinder aus einer breit angelegten, diverseren Perspektive zu betrachten. OK, letzte Frage: Wenn du an das Thema Mutterschaft in der Kunst denkst, wer kommt dir dann in den Sinn? Irgendwelche Künstler*innen, die dich inspiriert haben?
Ich bin super dankbar, dass ich so viele talentierte Frauen/Mutter-Künstler*innen in meiner direkten Umgebung habe. Meine eigene Mutter, Constance Prince, ist ein großes Vorbild für mich. Außerdem Arsimmer McCoy, Nadege Green, Chire Regans, Loni Johnson, Gerbi Tsesarskaia, Gabriela Garcia, Allison Matherly, Rosie Gordon Wallace, um nur ein paar Namen zu nennen.