Jung, schön und gefährlich: Der Prototyp des Bond-Girls prägt bis heute das Klischee von Spioninnen. Dass die Realität anders aussieht und warum Spionage immer noch männlich konnotiert ist, erzählt die Autorin Chloé Aeberhardt im Interview.

Die meisten Menschen verbinden den Begriff „Spion“ mit Männern. Was denkst du, warum das heute noch immer so ist?

Es arbeiten immer mehr Frauen bei Geheimdiensten, aber das Verhältnis von Männern und Frauen ist noch immer unausgewogen. Im Auslandsnachrichtendienst von Frankreich sind es zum Beispiel weniger als ein Drittel Frauen, die meisten von ihnen arbeiten im Büro. So lange Männer die größere Gruppe bilden, wird die Öffentlichkeit auch weiterhin männliche Geheimdienstmitarbeiter erwarten. Die Tatsache, dass an der Spitze der CIA mit Gina Haspel eine Frau sitzt, ist aber ein gutes Zeichen dafür, dass sich die Situation langsam ändert.

Welche Rolle spielen Frauen denn – damals wie auch heute – für die Spionage?

Manche Geheimdienste setzten (und setzen noch immer) Frauen als so genannte „Honigtöpfe“ ein – sie engagieren Prostituierte, die Zielpersonen verführen, damit man sie später zur Informationsgewinnung erpressen kann. Während des Kalten Kriegs war die Sowjetunion berühmt für ihre „Schwalben“. Ein gängiges Missverständnis ist, dass diese Frauen Mitarbeiterinnen des Geheimdienstes waren, aber das waren sie nicht. Diese Verwirrung, die durch die James-Bond-Filme gepflegt wurde, hat großen Schaden bei den Frauen der Geheimdienste angerichtet. Menschen denken, dass sie Sex haben, um Informationen zu erhalten – was sie aber niemals tun. Ihre Arbeit ist nicht anders als die der Männer. Sie haben sich sogar als sehr nützlich in diesem Feld erwiesen: Weil wenige erwarten, dass Frauen Spioninnen sind, erregen sie weniger Verdacht.

Chloé Aeberhardt, Foto: Frank Ferville

Würdest Du sagen, das Bild des Spions hat sich verändert? Und wenn ja, wie?

Mit der Zunahme von elektronischen Informationen – im Gegenteil zu Geheimdienstinformationen, die von Menschen durch zwischenmenschlichen Kontakt gesammelt wurden – wird der Spion immer stärker als „computer geek“ wahrgenommen. Das Bild ist durch Spionageromane und Fernsehserien wie „The Americans“, „Le Bureau des lègendes“ oder „Homeland“, in denen Frauen die Hauptrolle spielen, außerdem weiblicher geworden.

Und was fasziniert dich so besonders an Spionage?

Zu wissen, was hinter den Kulissen passiert und geheime Dinge zu erfahren. Und natürlich die Fähigkeit mancher Offiziere, verschiedene Identitäten haben zu können; etwas, das für „normale“ Menschen praktisch unmöglich ist. Ich denke auch, dass Geheimdienstarbeit zwar eine todernste Sache ist, aber auch etwas Spielerisches enthält – eine Art Versteckspiel, das viele Leute anspricht. Die Wahrheit ist aber: Jetzt, wo ich weiß, wie es funktioniert, glaube ich, dass diese Arbeit nichts für mich wäre. Hauptsächlich würde ich mich schlecht fühlen damit, Menschen zu hintergehen oder ihr Leben für Informationen aufs Spiel zu setzen.

Verstehe. Wie kamst du letztlich auf die Idee, ein Buch über Spioninnen zu schreiben? Welche Intention hattest du während des Schreibens?

Ich hatte die Idee 2010, nachdem die US-Behörden zehn russische Spioninnen und Spione festgenommen haben, die auf amerikanischem Boden agiert hatten. Eine von ihnen hieß Anna Chapman und war der Prototyp eines Bond-Girls: Jung, schön und gefährlich. Alle Medien nutzten sie als Aufhänger für ihre Story. Ich fragte mich, ob Spioninnen wirklich so aussahen. Mir fiel auf, dass alle Bücher zu dem Thema von bereits verstorbenen Spioninnen handelten, meistens dieselben – Mata Hari, Josephine Baker – und diese Vorstellung von Glamour beinhalteten. Also dachte ich mir: Warum versuchst du nicht, lebende Spioninnen zu finden, mit ihnen zu reden und zu erfahren, wer sie sind und was sie zu erzählen haben?

Chloé Aeberhardt, Spioninnen, Arte (Filmstill)

Okay. Und wie hast du recherchiert und die Frauen letztlich gefunden?

Das war kompliziert, denn es gibt nicht so viele Spioninnen und natürlich werden sowohl Männer als auch Frauen im Geheimdienst darauf getrimmt, nicht über ihre Arbeit zu reden. Manche Frauen, mit denen ich gesprochen habe, sind Figuren des öffentlichen Lebens: Jonna Mendez (CIA), Stella Rimington (MI5) and Gabriele Gast (HVA). Sie waren einfach zu finden, aber speziell die letzten beiden waren extrem schwer zu überzeugen. Ich habe zwei Jahre und zwei Reisen nach Deutschland gebraucht, um das Einverständnis von Gabriele Gast zu bekommen. Um die anderen Spioninnen zu finden, habe ich viele männliche Militär- oder Geheimdienstmitarbeiter getroffen, die mir teilweise dabei halfen, ehemalige Kolleginnen und Kollegen zu kontaktieren, die wiederum ehemalige Kollegen kontaktierten und so weiter. Es hat insgesamt fünf Jahre gedauert, bis ich acht interessante Erfahrungsberichte von weiblichen Führungsoffizieren gesammelt hatte. Alle Frauen sind bereits in Rente, weil man als aktive Mitarbeiterin nichts erzählen darf. Aber ich wollte Geschichten von Einsätzen hören.

Und was war der aufregendste Moment während deiner Interviews?

Es gab eine Menge dieser Momente. Aber die Reise nach Moskau zu einem Treffen mit einer ehemaligen KGB-Agentin, deren Leben wie das von Elisabeth Jennings in The Americans klingt, war definitiv einer davon. Wenige Tage vor ihrer Hochzeit hat ihr Verlobter ihr erst erzählt, dass er für den KGB (Komitee für Staatssicherheit beim Ministerrat der UdSSR) arbeitet und in Kürze mit einer falschen Identität für mehrere Jahre nach Argentinien gehen wird. Um ihm folgen zu können, trat sie dem KGB bei, nahm die Identität einer Deutschen an und musste zwei Jahre in der DDR verbringen, um Deutsch zu lernen und ihre Tarnung plausibel erscheinen zu lassen. Dann zogen sie als argentinisch-deutsches Paar nach Buenos Aires. Sie hatten zwei Töchter, die Spanisch sprachen und keine Ahnung hatten, dass ihre Eltern russische Spione sind...

Chloé Aeberhardt, Spioninnen, Arte (Filmstill)

War es deine Idee, aus den Interviews eine Mini-Serie für Arte zu machen? Warum hast du die animierte Form gewählt?

Die Pariser Produktionsfirma Squaw trat an mich heran mit dieser Idee, die mir sofort gefiel. Aurélie Pollet, die Regisseurin für Animationsfilme, entwarf Bilder, die mir wirklich gut gefallen. Die animierte Version ist sehr geeignet für Geschichten über Geheimdienste, weil man sich nicht mit Fragen der Anonymität auseinandersetzen muss – keine der Frauen stand vor der Kamera – und es in Ordnung ist, wenn man nicht alle Archivbilder bekommt, die man für eine Dokumentation brauchen würde. Aurélie Pollet hat allerdings mit einem Dokumentarfilmer zusammengearbeitet um sicherzugehen, dass all ihre Zeichnungen historisch korrekt sind.

Wirst du dich weiter mit dem Thema Spioninnen auseinandersetzen?

Aurélie Pollet und ich schreiben bzw. zeichnen gerade an einem Comic, der auf der animierten Serie beruht. Die Serie wurde 2,2 Millionen Mal angeschaut; als wir all die Kommentare auf Youtube und Instagram lasen, haben wir gemerkt, dass viele mehr über die Charaktere und Details über die Einsätze wissen möchten. Das Buch erscheint voraussichtlich nächsten Januar bei Steinkis Editions, gerade rechtzeitig, um auf dem „Festival de BD d’Angoulême“ vorgestellt werden zu können. Wir nutzen die bereits vorhandenen Bilder, aber Aurélie zeichnet noch weitere für die Teile der Geschichte, die ich hinzugefügt habe. Ich habe noch nie zuvor ein Comic-Buch gemacht. Besonders herausfordernd war für mich, die Erzählungen in Dialoge umzuschreiben und so viele Sprechblasen wie möglich zu nutzen. Comicautorin ist definitiv kein einfacher Job!

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