Klar, er ist ja auch Schauspieler. Mindestens genauso lang aber legt Lars Eidinger als DJ auf.
Vor seinem Set am 12. Januar bei SCHIRN AT NIGHT erzählt Lars Eidinger, was er von Übergängen und Promipartys hält und warum er bei Auftritten auch mal seinen Po zeigt.
Es heißt, während Ihrer Zeit an der Schauspielschule „Ernst Busch“ in den Neunzigerjahren in Berlin seien Sie ständig mit einem Plattenkoffer rumgerannt. Wie sahen Sie sich damals, eher als Schauspieler oder als Musiker?
Ich habe mich eigentlich immer als Künstler gesehen. Schon als Kind wollte ich berühmt werden, und ich glaube, was ich damit gemeint habe, ohne es zu wissen, ist: Ich will einen Beruf, in dem ich mich vor Publikum ausdrücken kann. Die Form ist zweitrangig. Musik mache ich mindestens genauso lang wie das Schauspielen. Auf Partys habe ich immer die Songs ausgewählt, weil ich ein gutes Gespür habe für Stimmungen im Raum und Energie erzeugen kann. Das ist ja auch die Schnittmenge von Auflegen und Schauspielerei: Beides macht wenig Sinn, wenn man es alleine macht. Es braucht den Austausch, das Zusammenspiel. Klar kann man sich auf ein DJ-Set vorbereiten, indem man das Mixen übt. Aber der gute DJ entscheidet die Reihenfolge der Songs vor Ort, in Abhängigkeit vom Publikum.
Bereiten Sie sich als DJ vor?
Na ja, mein Ideal ist dasselbe wie beim Schauspiel: dass man sich bei jedem Auftritt vor den Leuten neu entscheidet. Beim Plattenauflegen weiß ich oft nicht mal das erste Stück, das ich spiele. Früher, als ich elektronische, experimentelle Musik aufgelegt habe und gar nicht den Anspruch hatte, die Leute zum Tanzen zu bringen, da habe ich mich nur auf den Mix konzentriert, zuhause geübt, und im Kopf gehabt, welche Platte mit ihrer Geschwindigkeit zur nächsten passt.
Es gibt sogar eine Platte von Ihnen aus dieser Zeit, die instrumentale Hip-Hop-EP „I’ll Break Ya Legg“. Es steht schon im Titel, was passiert, wenn man versucht zu ihr zu tanzen. Wie sind Sie von da bei der Popmusik gelandet?
Als ich an der Schaubühne angefangen habe, 1999 war das, hatten wir wahnsinnige Probleme, Publikum für unsere Aufführungen zu finden. Das alte Schaubühnenpublikum ist nicht mehr gekommen, und die jungen Leute, die wir ansprechen wollten, haben wir nicht erreicht. Da habe ich vorgeschlagen, eine Tanzveranstaltung zu machen. Ich habe avantgardistische DJs eingeladen, die nur Leute kannten, die sich wirklich für elektronische Musik interessieren.
Mein Ideal ist dasselbe wie beim Schauspiel: dass man sich bei jedem Auftritt vor den Leuten neu entscheidet.
Und da ist jemand gekommen?
Nee. Nur meine Bekannten, die ich angerufen habe, dreißig, fünfzig Leute. In der Zeit haben wir an der Schaubühne aber auch unsere ersten Premierenfeiern gemacht, da haben wir Radiohits aufgelegt und hatten viel Spaß. Stellte sich die Frage: Was ist besser an unserer superavantgardistischen Musikveranstaltung, bei der alle nur rumstehen, keiner tanzt, weil eh alle zu cool sind? Dieses Phänomen habe ich damals auch in den Clubs erlebt, das Gefühl, gemeinsam einsam zu sein. Autistic disco. So entstand die Veranstaltung, die das Gegenteil ihres Titels sein soll.
Die „Autistic Disco“ veranstalten Sie in der Schaubühne seit vielen Jahren.
Ja, seit bestimmt fünfzehn Jahren, bei der letzten Veranstaltung standen ohne Übertreibung 800 Leute an. In Berlin! Wo die Konkurrenz so groß ist. Was ich bei der „Autistic Disco“ auflege, nenne ich eklektische Popmusik. Besonders eklektisch ist es natürlich nicht, Radiohits zu spielen. Aber damit meine ich, dass es auch innerhalb der Popmusik Sachen gibt, die ich nie auflegen würde. Ich prostituiere mich nicht fürs Publikum, indem ich „I Will Survive“ und „It’s Raining Men“ spiele.
Sie verweigern sich auch DJ-Konventionen wie Übergängen zwischen Songs. Wollen oder können Sie die nicht?
Darüber haben sich schon viele beschwert, „Mix mal“, „Du bist gar kein richtiger DJ“ und so weiter. Ich kann das. Ich weiß, wie man Geschwindigkeiten angleicht. Bei einem House-Set oder instrumentalem Hip-Hop ist das kein Problem, weil sich alles in einem ähnlichen Tempo bewegt. Ich spiele aber Popmusik aus allen Genres in unterschiedlichsten Geschwindigkeiten, und um die zu mischen, müsste ich eigentlich die Musik ändern, die ich auflege. Irgendwann hatte ich auch Spaß daran, es naiver oder dilettantischer anzugehen, dass ich mal auf Stopp drücke und schaue, was passiert.
Was ich bei der „Autistic Disco“ auflege, nenne ich eklektische Popmusik.
Auf Stopp drücken Sie auch, wenn sich jemand ein Lied wünscht.
Ja. Wobei sich das schon wieder geändert hat, weil mir inzwischen die meisten ihr Handy hinhalten, statt zu fragen. Mich nervt es, ich bin ja keine Jukebox.
Frage an den Promipartygast und Promiparty-DJ Lars Eidinger: Ist es als Gast oder als DJ schlimmer?
Weder noch, zu Partys, die ich schlimm finde, gehe ich nicht. Promipartys finde ich meistens höchst amüsant. Es beeindruckt mich auch immer noch, wenn ich jemanden, den ich nur aus dem Fernsehen kenne, live sehe. Und dann tanzt er vielleicht noch zu meiner Musik. Ich wüsste nicht, was mich da abstoßen sollte.
Warum zeigen Sie eigentlich beim Auflegen gern mal Ihren Po?
Das gehörte früher immer dazu. Auf allen Partys Anfang der Zweitausender habe ich das gemacht, es gibt Beweisfotos von diversen Freunden. Ich kenne die Geste aus dem Punk, weniger als Affront gemeint, eher als Ausdruck von Freiheit, Anarchie und Übermut. Wenn Fotografen beim Auflegen Bilder von mir machen, kommen sie immer am Anfang des Sets und gehen dann wieder. Aber auf dieser Berlinale-Party vor drei Jahren war offenbar eine Fotografin geblieben und geistesgegenwärtig genug, den Moment festzuhalten. Am nächsten Tag war es dann auf der Titelseite der „Bild“-Zeitung. Seitdem habe ich es nie wieder gemacht.
Ich kenne die Geste aus dem Punk, weniger als Affront gemeint, eher als Ausdruck von Freiheit, Anarchie und Übermut.