Finanzielle Förderung ist essentiell für den Erhalt von künstlerischer Freiheit. Was in Deutschland seit Jahrzehnten außer Frage steht, wird in den USA gerade hitzig diskutiert.
Kreativität, Talent, Connections, der richtige Zeitpunkt, der richtige Ort: All das und mehr ist nötig, um Kunst zu schaffen. Ohne die passende Infrastruktur jedoch, ohne finanzielle Unterstützung von Dritten wären viele Künstler und Organisationen nicht in der Lage, Kunst zu erschaffen. Ohne Subventionierung würden viele kreative Projekte nicht nur nicht umgesetzt werden, sondern ohne dieses Sicherheitsnetz, diesen doppelten Boden, der die Freiheit zum kreativen Schaffen eröffnet, wären viele Kunstwerke wahrscheinlich gar nicht erst erdacht worden.
Anfangs noch von Fürsten, Königen und Kaisern erbracht, entwickelte sich bereits im späten 18. Jahrhundert eine öffentliche Förderung für Kunst und Kultur seitens des Bürgertums in Deutschland. War diesem die Mitsprache auf staatlicher Ebene noch versagt, so konnte es doch im kommunalen Bereich eine eigene kulturelle Identität entwickeln, die sich vor allem in Kunstvereinen ausdrückte. Erst in den 1970er-Jahren zeichnete sich schließlich eine kulturpolitische Verantwortung seitens der Bundesländer ab, die den Kulturauftrag als Teil des Gemeinwohlauftrags auslegte. Die immer stärker werdende nationale wie internationale Vernetzung unserer heutigen Welt führte schließlich dazu, dass sich neben der Kulturförderung auf kommunaler und Landesebene noch zwei weitere, unabhängig und übergreifend agierende Entitäten herausbildeten: Die Kulturstiftung der Länder und die Kulturstiftung des Bundes.
Der Blick nach Amerika verblüfft
Die Kulturstiftung der Länder wurde 1987 mit dem Ziel gegründet, herausragende Zeugnisse des nationalen Kulturerbes für deutsche Museen, Bibliotheken und Archive zu wahren und der Öffentlichkeit zu vermitteln. Dank ihr konnten archäologische Sensationsfunde wie die älteste Handschrift des Nibelungenlieds sowie Meisterwerke von Peter Paul Rubens, Wassily Kandinsky oder Gerhard Richter, aber auch literaturhistorische Kostbarkeiten wie Franz Kafkas Romanmanuskript zum „Proceß“ für die Nachwelt gesichert werden. Die Kulturstiftung des Bundes dagegen agiert erst seit ihrer Gründung 2002. Sie beschäftigt sich vorwiegend mit der Förderung von Projekten mit internationaler Ausrichtung sowie dem kulturellen Austausch und grenzüberschreitenden Kooperationen. Sie ist eine der größten von öffentlicher Hand geförderten Kulturstiftungen Europas mit einem Jahresbudget von ca. 40 Mio. Euro, die direkt aus dem Bundeshaushalt kommen. Sie unterstützt etwa große Projekte wie die documenta, das Tanztreffen und vieles mehr.
Lässt man den Blick über Europa hinaus nach Amerika schweifen, stellt man verblüfft fest, dass dort bereits seit den 1960er-Jahren eine unabhängige, auf nationaler Ebene agierende Förderung existiert: die National Endowments for the Arts (NEA) und die National Endowments for the Humanities (NEH). Gegründet wurden NEA und NEH durch den US-Kongress 1965 noch als eine gemeinschaftliche Stiftung unter Präsident Lyndon B. Johnson, um allen Amerikanern Zugang zu Kunst und Kultur zu gewährleisten. Denn eine “hochentwickelte Zivilisation sollte sich nicht nur auf Naturwissenschaft und Technik alleine konzentrieren, sondern muss auch den anderen großen Lebensbereichen wie Kunst und Kultur einen hohen Wert beimessen.” (National Foundations of the Arts and Humanities Act of 1965)
Ronald Reagan und Donald Trump
Ebenso wie Kulturstiftung des Bundes und der Länder fördert NEA und NEH Projekte auf nationaler Ebene, und auch die Art der Projekte ist vergleichbar. Anders jedoch als in Deutschland, wo die Kulturstiftungen gemeinsam auf ein fixiertes Gesamtbudget von etwa 50 Mio. Euro aus dem Haushalt der Staatsministerien für Kultur (Kulturstiftung des Bundes) und Beiträgen der Länder (Kulturstiftung der Länder), zurückgreifen können, wird das Budget für NEH und NEA jedes Jahr neu vom Kongress festgelegt. Unter Barack Obama erhielten NEA und NEH gemeinsam ca. 300 Mio. USD in 2016, was allerdings nur einem Bruchteil von ca. 0,008% des Gesamtjahresbudgets entspricht. In Deutschland dagegen wurden 2016 etwa 0,01% des Jahreshaushalts für Kunst und Kultur ausgegeben.
In den USA soll sich das in Zukunft jedoch ändern: Präsident Donald J. Trump sieht in seinem Vorschlag für den amerikanischen Jahreshaushalt 2018, dem sogenannten America First Budget Blueprint, eine komplette Streichung der nationalen Förderung für Kunst und Kultur zugunsten eines vor allem auf Verteidigung und Rüstung konzentrierten Budgets vor. Traditionell erstellt der Präsident einen Haushaltsvorschlag und sendet ihn an den Kongress, der dann entscheidet, wie der Vorschlag umgesetzt wird. Seit der Gründung der NEA und NEH vor über 50 Jahren ist Donald J. Trump der erste Präsident, der eine völlige Streichung der kulturellen Mittel vorsieht. Unter Präsident Ronald Reagan in den 1980er-Jahren hatte es zwar Überlegungen gegeben, die NEA und NEH zu kürzen, auf Druck von Befürwortern innerhalb beider großen Parteien entschloss sich Reagan jedoch, davon abzusehen.
Alicja Kwade in den Straßen von New York
Obwohl NEA und NEH nur einen Bruchteil des amerikanischen Gesamtjahresetats in den letzten 50 Jahren ausgemacht haben, sind sie doch existenziell für den chronisch unterfinanzierten Sektor der Kunst und Kultur. Gemeinsam haben beide Stiftungen in den letzten fünf Jahrzehnten mehrere hunderttausend Zuschüsse genehmigt. Diese nationale Förderung brachte unter anderem die Metropolitan Opera zum New York Times Square, Alicja Kwade in die Straßen von New York City und William S. Shakespeare in Theater in ganz Nordamerika.
Neben Museen wie etwa dem MoMA und dem Drawing Center in New York City profitieren sowohl Kulturorganisationen wie die New York Foundation for the Arts (NYFA) als auch einzelne Künstler von den Geldern. Dementsprechend wurden, seit Trump am 16. März seinen Jahreshaushaltsvorschlag publik gemacht hat, bereits zahlreiche kritische Stimmen im Kunst- und Kultursektor laut: Schauspielerin Julie Andrews und Sundance Festival Gründer Robert Redford haben sich mit offenen Briefen und Kommentaren an den Kongress gewandt, große Museen wie das Metropolitan Museum of Art in New York haben öffentliche Statements an die Presse gegeben, PEN America, eine der größten Literaturinstitutionen der Welt, rief eine Petition ins Leben, die bereits von bekannten Künstlern wie Jasper Johns, Marina Abramović, Julian Schnabel und James Turrell unterschrieben wurde.
Standhaft gegen Streichung
Michael L. Royce, Direktor der NYFA, einer 1971 gegründeten Stiftung, die freiberufliche Künstler und kleine Kunstorganisationen USA-weit in ihrer täglichen Arbeit unterstützt, fasst die Bedeutung der NEA und NEH und die Auswirkung von deren Streichung wie folgt zusammen: „Die NYFA als eine Organisation, die Künstler aller Disziplinen und unterschiedlicher Hintergründe fördert, ist standhaft gegen eine Streichung der NEA und NEH. Die NYFA sowie viele Organisationen im ganzen Land haben immer wieder existenzielle Unterstützung seitens NEA und NEH erhalten, die in vielen Fällen zu einer direkten Unterstützung von Künstlern und Gemeinden geführt hat.“
Ähnlich schwierig schätzt Brett Littman, Executive Director des Drawing Centers, einem New Yorker-Museum, das sich seit 1977 dem Zeichnen – historisch und zeitgenössisch – widmet, die Situation ein. Für ihn würde „eine solche Streichung großen Schaden anrichten in der Art und Weise, wie die Amerikaner Kunst wahrnehmen. Die NEA ist ein wichtiges Zeichen von politischer Anerkennung für lokale Institutionen und gibt den Menschen das Gefühl, dass, was sie tun, wichtig ist für die Gesellschaft. Und zwar so wichtig, dass diese bereit ist, Steuergelder dafür aufzuwenden.“
Die Hoffnung stirbt zuletzt
Entschieden ist noch nichts. Aktuellen Entwicklungen zufolge kam es am 30. April 2017 zu einer ersten Einigung beider Parteien für ein Übergangsbudget, das die Finanzierung des Landes bis Ende September 2017 regeln und einen drohenden Regierungs-Stopp, wie zum letzten Mal unter Barack Obama 2013 geschehen, verhindern soll. In diesem sogenannten Bipartisan Agreement lehnt der US-Kongress u.a. Zusatzgelder für den Bau einer Mauer zwischen den USA und Mexiko vorerst ab und fordert, konträr zu den Vorstellungen des Präsidenten, überraschend eine Aufstockung des NEA und NEH Budgets von jeweils 2 Millionen USD. Die amerikanischen Gesetzgeber müssen diese Vereinbarung jedoch noch absegnen. In den folgenden Monaten setzt sich der Kongress dann mit dem finalen Jahresbudget für 2018 auseinander. Bleibt nur zu hoffen, dass der Kongress sich nicht dafür entscheidet, den amerikanischen Künstlern und Kulturorganisationen den doppelten Boden, das sichere Netz zu entziehen, das notwendig ist, um große Kunst zu denken und zu schaffen.