Von den Nazis aus der Dresdner Akademie vertrieben, flüchtete Otto Dix mit seiner Familie in die Idylle des Bodensees. Sein Wohnhaus dort ist heute ein wunderbares Museum. Dix Arbeiten sind im Herbst in Frankfurt zu sehen.
Der Blick geht weit. Über ein paar Häuserdächer, über alte Bäume, über den Untersee, auf dem einige kleine Segelboote schippern, bis hinüber auf die Schweizer Seite. Was für ein Idyll, was für eine sanfte, wie dahingemalte Landschaft. Auch Otto Dix wusste, wie einzigartig diese Gegend ist, doch es machte ihn nicht glücklich. „Ein schönes Paradies, zum Kotzen schön“: So beschrieb der Künstler sein Exil am Bodensee. 1933 hatte er – als einer der ersten – seine Professur an der Dresdner Akademie verloren. Den Nazis war der Maler der Neuen Sachlichkeit, der die Schattenseiten der Weimarer Republik in seinen Werken dokumentierte, mehr als ein Dorn im Auge. Seine Bilder waren wie ein Gegenentwurf zur völkischen Erbauungskunst, die die neuen Machthaber forderten.
![](/fileadmin/_processed_/csm_MHD_Garten_761e0b_a0f38161aa.jpg)
Mit seiner Frau Martha und den drei Kindern Nelly, Ursus und Jan siedelte Dix in die Bodenseeregion über, zunächst nach Randegg und später, 1936, in ein neugebautes Haus in Hemmenhofen auf der Halbinsel Höri am Untersee. 33 Jahre, bis zu seinem Tod im Jahr 1969, sollte der Künstler mit seiner Familie hier leben (und auch seinen Frieden mit der Landschaft finden). Heute ist das Haus ein spektakuläres Museum, wunderbar restauriert, ein Ort, der einen hervorragenden Eindruck vom Leben des Künstlers vermittelt.
Dokumentarist der Weimarer Republik
Im Herbst wird Otto Dix in der SCHIRN-Ausstellung „Glanz und Elend in der Weimarer Republik“ eine wichtige Rolle einnehmen. Seine Malereien prägen bis heute das Bild, das wir uns von der Zwischenkriegszeit machen und erzählen kritisch und direkt von der enormen sozialen Not genauso wie vom pulsierenden Leben der Großstadt in der Weimarer Republik. Als Dix nach Hemmenhofen zog, da hatte er einen Großteil dieser Bilder mit dabei. Das „Bildnis der Tänzerin Anita Berber“, das Triptychon „Großstadt“, der „Triumph des Todes“: All diese längst weltberühmten Gemälde hingen damals an den Wänden des schlicht-modernen Landhauses am Bodensee. Entworfen hatte es der Dresdner Architekt Arno Schleicher, erbaut wurde es in nur wenigen Monaten.
![](/fileadmin/_processed_/csm_MHD_Eingangsbereich_b00042_beda4a78ef.jpg)
![](/fileadmin/_processed_/csm_MHD_Familie_Balkon_b30644_068006eb2b.jpg)
![](/fileadmin/_processed_/csm_MHD_Atelier_2fc51e_6b104679cb.jpg)
Auch heute kann man diese Bilder dort noch entdecken – nicht als Originale, sondern als Schattenrisse in grauen Farbtönen. Weil die Ausstellung in seinem Wohnhaus so genau wie nur möglich davon erzählen will, wie die Familie Dix dort lebte, wurde die Einrichtung möglichst originalgetreu inszeniert. Die Skizzen der Bilder sind heute dort angebracht, wo sie hingen, als der Künstler hier einzog. Das Haus selbst gehörte allerdings gar nicht ihm, sondern allein seiner Frau Martha. Sie stammte, anders als der Maler, aus einer wohlhabenden Familie.
Die Nähe zur neutralen Schweiz
Das Grundstück hatte ihnen Walter Kaesbach, der frühere Direktor der Düsseldorfer Kunstakademie, vermittelt. Auch er war von den Nazis entmachtet worden und nach Hemmenhofen gezogen. Wahrscheinlich spielte die Nähe zur neutralen Schweiz – gerade einmal zehn Kilometer sind es in die Grenzstadt Stein am Rhein – bei der Entscheidung, auf die Halbinsel Höri zu ziehen, für die Künstler eine wichtige Rolle. Einen Beleg dafür gibt es jedoch nicht.
![](/fileadmin/SCHIRN/Magazin/Abbildungen_2017/Antsy/Otto_Dix_Haus_Bodensee/MHD_Esszimmer_446ecc.jpg)
Der Rundgang durchs Haus gleicht einer Reise in die Vergangenheit. Im Erdgeschoss entdeckt man das Klavier, auf dem Martha regelmäßig spielte. Daneben die Notenhefte: Bach, Beethoven, Brahms. Und ein altes Grammophon, auf dem Schellackplatten abgespielt wurden. Die Dix-Familie war gesellig: dass Feste gefeiert wurden, dass Gäste zu Besuch kamen, war in Hemmenhofen keine Seltenheit. Über eine ausladende Holztreppe geht es ins erste Geschoss, wo sich das Atelier des Künstlers befand. Der Raum ist groß, grau, aufgeräumt, in der Mitte eine Staffelei, ein riesiges Fenster lässt das Licht herein. Dix hatte dieses Fenster zu einem doppelt verglasten, geräumigen Kasten erweitern lassen. Häufig spielten seine Kinder darin, während er selbst im Atelier arbeitete. Wurden sie zu laut, dann schmiss der Künstler sie raus.
Landschaftsbilder – das war doch Emigration
An der Wand hängen einige Originale, Blumenbilder in expressivem Stil. Dix hat seinen Malstil während der Zeit in Hemmenhofen stark verändert, häufig hat er in der freien Natur gearbeitet. Morgens war er im Atelier, nachmittags draußen. „Ich habe Landschaften gemalt – das war doch Emigration“, erklärte er später, im Gespräch mit dem Schriftsteller und Fotograf Hans Kinkel, diesen Bruch. Sein Wandel im Stil sollte auch dafür verantwortlich sein, dass es Dix nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht wieder gelang, an seine Karriere vor der Nazi-Zeit anzuschließen. Obwohl er 1955 bei der ersten „Documenta“ ausstellte, dauerte es lange, bis die Wertschätzung für sein Werk wiederkam.
![](/fileadmin/_processed_/csm_Share_Weimar_Glanz_Elend_Weimarer_Republik_Ausstellung_Schirn_Frankfurt_2017_a600eccb09.jpg)
TICKET VORVERKAUF
Buchen Sie Ihr Ticket zum Ausstellungshighlight GLANZ UND ELEND bereits vorab im Onlineshop und vermeiden Sie Wartezeiten.
![](/fileadmin/_processed_/csm_MHD_Museum_Haus_Dix_b2cbec_b2c22463e6.jpg)
![](/fileadmin/_processed_/csm_MHD_Musikzimmer_347d18_5ea955338b.jpg)
Artikel, Filme, Podcasts - das SCHIRN MAGAZIN direkt als WhatsApp-Nachricht empfangen, abonnieren unter www.schirn-magazin.de/whatsapp
![](/fileadmin/_processed_/csm_vorschau_Schirn_Presse_Casablanca_Melehi_Untitled_1969_fb949bf28f.jpg)
Bald in der SCHIRN: CASABLANCA ART SCHOOL. EINE POSTKOLONIALE AVANTGARDE 1962–1987
Die „neue Welle“ Marokkos: Die SCHIRN präsentiert ab dem 12. Juli die einflussreiche CASABLANCA ART SCHOOL erstmals in Deutschland in einer großen...
![](/fileadmin/_processed_/csm_Schirn_TheCulture_Mag_Feedback2_1400x1400_1_f572c73e7d.jpg)
FEEDBACK 2: UPBRINGING IN FRANKFURT MIT SABRINA SETLUR
In der zweiten PODCAST-Episode trifft Miriam Davoudvandi auf die Frankfurter Legende Sabrina Setlur. Was für Erfahrungen hat sie als eine der ersten...
![](/fileadmin/_processed_/csm_Vorschau_Schirn_Presse_Selma_Selman_2023_e6f08a67a8.jpg)
5 Gründe, SELMA SELMAN in der SCHIRN zu sehen
Poetisch, konfrontativ, überraschend: Die SCHIRN präsentiert vom 20. Juni bis zum 15. September 2024 zwei neue Werke der Künstlerin SELMA SELMAN in...
![](/fileadmin/_processed_/csm_vorschau_SCHIRN-C-V-BONIN_NMB0176_d2dd99f56f.jpg)
Nichtstun ist (k)ein Kern der Arbeit
Jovana Reisinger sinniert über die Untätigkeit im Werk von COSIMA VON BONIN – ist sie ein Zeichen von Luxus, Verwahrlosung oder am Ende doch eine viel...
![](/fileadmin/_processed_/csm_vorschau2_SCHIRN-C-V-BONIN_NMB0883_448e952d2b.jpg)
Toxische Cuteness
Cuteness Overload! In COSIMA VON BONINS Bildwelt ist Bambi eine wiederkehrende Referenz. Doch der süße Anschein kann trügen. Was sind die Kehrseiten...
![](/fileadmin/_processed_/csm_vorschau_Schirn_Presse_Cosima_von_Bonin_Church_of_Duffy_2023_8720325f7a.jpg)
Daffy Duck. Ein Hoch auf die Unvollkommenheit!
Daffy Duck ist aus dem künstlerischen Œuvre von COSIMA VON BONIN kaum wegzudenken. Was für eine Geschichte verbirgt sich hinter der polarisierenden...
![](/fileadmin/_processed_/csm_vorschau_24.04.27_SCHIRN_BlockParty_EK-1039_f8ddd56852.jpg)
Wo sind die Hip-Hop-Hotspots Deutschlands?
Schon längst ist die Hip-Hop-Kultur aus deutschen Städten nicht mehr wegzudenken. Angefangen bei Frankfurt über Heidelberg bis hin zu...
![](/fileadmin/_processed_/csm_vorschau_NOI_240227_untitled_0351_278A2027_a61d58c532.jpg)
Wie Hip-Hop über seine Toten singt
Durch die tragisch frühen Tode von Legenden wie Biggie Smalls und Tupac oder aufstrebenden Superstars wie XXXTentacion und Pop Smoke musste die...
![](/fileadmin/_processed_/csm_vorschau_Deutschrap_ideal_Loredana_u_Simon_Vogt_2__c__hr_Fabian_Brosi_c3d8df19e1.jpg)
„Hip Hop makes the world a better place”
Wir haben mit Simon Vogt, dem Host des beliebten YouTube-Formats DEUTSCHRAP IDEAL vom Hessischen Rundfunk (ARD) gesprochen – über erste...
![](/fileadmin/_processed_/csm_vorschau2_049be48d1b.jpg)
Cosima von Bonin und die Kölner Kreativszene
COSIMA VON BONIN lebt und arbeitet seit den 1980er-Jahren in Köln. Die Stadt war zu der Zeit ein Hotspot der internationalen Kunstwelt, aber auch...
![](/fileadmin/_processed_/csm_Schirn_TheCulture_Mag_Feedback1_1400x1400_2a3e2e5f9e.jpg)
FEEDBACK 1: TRUE SCHOOL & NEW SCHOOL MIT CORA E. UND OG LU
Wie hat sich die deutsche Hip-Hop-Szene mit den Jahren gewandelt? In der ersten Folge des zweiteiligen Live-Podcasts spricht Host Miriam Davoudvandi...
![](/fileadmin/_processed_/csm_vorschau_Schirn_Presse_Cosima_von_Bonin_Opening_Thonk_Piece_credit_Mary_Messhausen_and_proddy_produzentin_9d3d179a2a.jpg)
5 Fragen an Mary Messhausen und proddy produzentin
Mit der Performance „Thonk piece: Hungry for Stains“ eröffnen die Dragqueens Mary Messhausen und proddy produzentin am 20. März die Ausstellung COSIMA...