Ein zeitgenössischer Künstler neben den Werken der weltberühmten Maler der Moderne? Das Museum Berggruen in Berlin wagt das Experiment mit der Ausstellung „George Condo. Confrontation“

Zunächst herrscht Verwir­rung: Die stän­dige Ausstel­lung in der drei­stö­cki­gen Rotunde der ehema­li­gen Offi­ziers-Kaserne in Char­lot­ten­burg sieht auf den ersten Blick aus wie immer. Werke von Picasso, Klee und Matisse findet man – sauber vonein­an­der getrennt und scharf bewacht – in den verschie­de­nen Räumen.

Und George Condo? Die Male­reien des 1957 in New Hamp­shire, USA gebo­re­nen Künst­lers hängen ganz unver­blümt inmit­ten der welt­be­kann­ten Klas­si­ker der Moderne, als würden sie fragen: Muss unser Schöp­fer erst tot sein, damit wir mit euch gemein­sam gezeigt werden dürfen? Die Ausstel­lung ist eine Konfron­ta­tion auf ganzer Linie – die einwand­frei funk­tio­niert.

Malerei lässt sich nicht neu erfinden

Seit den frühen 1980er-Jahren finden sich Refe­ren­zen zu den Klas­si­kern der moder­nen Kunst in den Arbei­ten Condos. Doch geht es ihm nicht darum, den Stil seiner Vorbil­der zu imitie­ren oder die Bilder abzu­ma­len: viel­mehr greift er die Bild­mo­tive auf und inter­pre­tiert sie mit einer Mischung aus surrea­lis­ti­schem Humor, ehrfürch­ti­gem Realis­mus und Elemen­ten des Comics zu etwas Neuem.

George Condo, Winds­wept Figure, 2007, Samm­lung des Künst­lers, New York Cour­tesy Sprüth Magers und Skarstedt, © VG Bild-Kunst, Bonn 2017, Foto: © George Condo 2017

Anfang 2012 hatte die SCHIRN bereits eine umfas­sende Retro­spek­tive des ameri­ka­ni­schen Künst­lers gezeigt, dessen „künst­li­cher Realis­mus“ für Faszi­na­tion beim Publi­kum sorgte. Mit stil­si­che­rer Pinsel­füh­rung fügt Condo die Eigen­hei­ten der Künst­ler zu neuen Kompo­si­tio­nen zusam­men, bleibt dabei aber immer inner­halb der Gren­zen der Male­rei – denn die lässt sich nicht mehr neu erfin­den, das Feld haben seine Vorgän­ger bereits für ihn aufbe­rei­tet.

Wieso erkennt man einen Picasso?

Mit seiner Vorge­hens­weise wirft er die Frage nach der Beson­der­heit der eige­nen Hand­schrift eines jeden Künst­lers auf. Was macht eine Zeich­nung von Paul Klee aus? Woran erkennt man einen Matisse? Und wieso lässt sich ein Werk von Picasso oftmals auf den ersten Blick als solches iden­ti­fi­zie­ren? Der Stil George Condos unter­schei­det sich deut­lich von dem seiner Vorbil­der, und doch glie­dern sich die Bilder derart lücken­los in die Dauer­aus­stel­lung hinein, dass man manche von ihnen fast über­sieht.

George Condo in der SCHIRN 2012, Instal­la­ti­ons­an­sicht, Foto: Schirn Kunst­halle Frank­furt, Norbert Migu­letz, 2012
George Condo. Confron­ta­tion, Instal­la­ti­ons­an­sicht Museum Berg­gruen, Natio­nal­ga­le­rie, Staat­li­che Museen zu Berlin, © VG Bild-Kunst, Bonn 2017 Foto: Timo Ohler

So hängt zwischen den verschie­de­nen Darstel­lun­gen der Ehefrau des Malers Paul Cézanne die Male­rei „The Return of Madame Cézanne“, die George Condo 2002 anfer­tigte: Die Propor­tio­nen im Portrait einer dunkel­haa­ri­gen und in einen roten Mantel geklei­de­ten Frau sind verzerrt, der Kopf ist sehr klein, der Hals lang und die Schul­tern schief und spitz, die Paral­le­len zu Cezanne sind unver­kenn­bar.

Frischer Wind

Während sich dieses Portrait still und leise in die ande­ren einreiht, tref­fen an ande­ren Stel­len Werke mit einem lauten Knall zusam­men. Ein trau­ri­ger Harle­kin von Picasso sitzt hier neben einem kopu­lie­ren­den Paar, ein weib­li­cher Akt von Picasso führt einen stum­men Dialog mit der „Shadow Perso­nage“ von Condo. Es wirkt, als rissen die zeit­ge­nös­si­schen Werke Condos alle Türen und Fens­ter auf, um einen Schwall frischen Windes in die verstaub­ten Räume der Kunst­ge­schichte wehen zu lassen.

George Condo, Study for a Clown, 2009, Samm­lung des Künst­lers, New York Cour­tesy Sprüth Magers und Skarstedt, © VG Bild-Kunst, Bonn 2017 Foto: © George Condo 2017

Es gehe darum, die Dinge zusam­men­zu­brin­gen, so Condo, aber nicht für einen Dialog, denn Dialoge seien nur Platt­for­men für trockene Diskus­sio­nen und die führt man schließ­lich jeden Tag. Käme es zu hinge­gen zu einer Konfron­ta­tion, dann passiere etwas, was in Erin­ne­rung bleibt. Die unge­wöhn­li­che Zusam­men­stel­lung der altbe­kann­ten mit unbe­kann­ten Werken in seiner aktu­el­len Ausstel­lung wird von vielen Menschen als provo­kant und sogar blas­phe­misch empfun­den, sie regt zum Nach­den­ken an und holt den Besu­cher bewusst aus der ebenso altbe­kann­ten Müdig­keit der Betrach­tung von Moti­ven, die – auf Postern, Tassen, T-Shirts gedruckt – längst zu austausch­ba­ren Arti­keln aus dem Muse­ums­la­den gewor­den sind. 

Ein Skan­dal wie in der Berli­ner Gale­rie von Otto Feld­mann, der 1913 die ersten kubis­ti­schen Bilder von Pablo Picasso ausstellte und die Besu­cher damit scho­ckierte, ist heute zwar nicht mehr vorstell­bar, doch das die Ausstel­lung im Museum Berg­gruen eine Diskus­sion auslöst ist kalku­liert – und höchst will­kom­men.

George Condo. Confron­ta­tion, Instal­la­ti­ons­an­sicht Museum Berg­gruen, Natio­nal­ga­le­rie, Staat­li­che Museen zu Berlin, © VG Bild-Kunst, Bonn 2017 Foto: Timo Ohler

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