Actionfilme, Dokumentarfilme, Kunstfilme: Das SCHIRN MAGAZIN stellt Filme vor, die in der Welt der Museen und Ausstellungshäuser spielen.
Der Film ist (mal mehr, mal weniger) Kunst, gar keine Frage. Und er setzt sich auch inhaltlich gerne mit den schönen Künsten auseinander. Neben den zahlreichen Biopics über große Künstlerpersönlichkeiten gibt es mittlerweile viele Filme, die komplett oder zu Teilen in Galerien und Ausstellungshäusern spielen und so (mal mehr, mal weniger) die Kunst thematisieren. Eine Auswahl aus der jüngeren Filmgeschichte.
RUSSIAN ARK
Gesamtkunstwerk in der Eremitage
Über 2.000 Statisten und Schauspieler, die klassische Musik dreier Live-Orchester, gefilmt in 33 Räumen in einer ungeschnittenen, 90-minütigen Einstellung? Was nach einem kaum zu realisierenden formalen Superlativ klingt, ist in „Russian Ark“ (Russland/Deutschland 2002) von Alexandr Sokurov Wirklichkeit geworden. Der russische Regisseur begleitet in seinem Mammutprojekt in einem einzigen artifiziellen Atemzug einen namelosen und nicht gezeigten Erzähler und den französischen Politiker Maquis de Custine durch die Eremitage des frühen 18. Jahrhunderts. Während zwischen den Beiden ein Disput entbrennt, begegnen ihnen in den Sälen und Fluren reale und fiktive Personen aus den letzten 300 Jahren russischer Geschichte. (Kleine Randnotiz: Einen noch längeren Atem hat Sebastian Schippers 140-minütiger-One-Take-Trip »Victoria« (2015), der in der ebenfalls geschichtsträchtigen Open Air Galerie Berlin spielt.)
ARTEHOLIC
Mit einer Kunstfigur durch Europas Kunsttempel
Udo Kier ist eine lebende Legende. Der sympathische Exzentriker drehte mit Andy Warhol, Lars von Trier, Rainer Werner Fassbinder und Christoph Schlingensief und ist Deutschlands unverwüstlicher Leuchtturm in Hollywood. Und er ist kunstbesessen, von ganzem Herzen. Davon erzählt Hermann Vaskes Dokumentation „Arteholic“ (Deutschland 2014). Zusammen mit Kier geht es auf einen eigensinnigen Trip durch Europas Ausstellungshäuser und Galerien. Im Städel Frankfurt, Museum Ludwig Köln, Kunstmuseum Bonn, Hamburger Bahnhof in Berlin, Louisiana Museum bei Kopenhagen und im Centre Pompidou Paris quatscht der kunstsüchtige Kier mit Kuratoren und Künstlern. „Arteholic“ ist eine ironische Selbstinszenierung der Kunstfigur Kier und eröffnet zugleich einen ausgefallenen Diskurs über Kunst.
DAS GROßE MUSEUM
Über das Kunsthistorische Museum Wien
Es ist ein intimer Blick hinter die Fassaden des renommierten Kunsthistorischen Museums Wien, den Dokumentarfilmer und Kunsthistoriker Johannes Holzhausen in „Das große Museum“ (Österreich 2014) gewährt. In zurückhaltend gefilmten Einstellungen schaut der Österreicher den unterschiedlichen Protagonisten des Instituts, den Restaurateuren, Wissenschaftlern, der Marketingabteilung und anderen, über die Schultern und schafft durch dieses personelle Panoptikum ein vielseitiges Porträt des Museumsalltags. Beiläufig erzählt Holzhausen auch von den ökonomischen Zwängen der Kulturinstitution in Zeiten des globalen Wettbewerbs. „Die Markenattribute, wie wir sein wollen: Stilvoll, souverän, berührend, offen. Ist doch schön, aber das gilt auch für Zahnpasta“, erklärt einmal ein Protagonist augenzwinkernd und ernst zugleich.
NATIONAL GALLERY
Über die Kunstvermittlung
Wie sein österreichischer Kollege widmet sich auch Frederick Wiseman in „National Gallery“ (Frankreich/USA/Großbritannien 2014) dem Treiben in einem Ausstellungshaus, in diesem Fall der weltberühmten Londoner Gemäldegalerie. Der Franzose beobachtet in seinem 38. Dokumentarfilm neben den Mitarbeitern in erster Linie die Besucherinnen und Besucher. Da stehen Erwachsene und Kinder vor den Vermeers, Picassos und weiteren Künstlergrößen dieser Welt, sie staunen in Erfurcht oder lauschen gespannt den Ausführungen des Guides, eine Gruppe Kunststudierender übt sich in Maltechniken. Es sind vor allem die Reaktionen auf Kunst und die Vermittlung eben dieser, von der Wisemans Galerieporträt in ruhigen Bildern erzählt.
MUSEUM HOURS
Dokufiktion im Kunsthistorischen Museum Wien
Mit „Museum Hours“ (Österreich/USA 2012) kehren wir nochmals zurück nach Wien, verlassen aber nach den beiden vorgenannten Werken langsam wieder dokumentarfilmischen Boden. Denn auch wenn Jem Cohens Film zunächst wie eine Dokumentation daherkommt, schleicht sich peu à peu eine fiktive Narration ein. In erneut sehr behutsamen und langsamen Bildern – eine Gemeinsamkeit vieler Museumsfilme, die vielleicht dem Respekt vor und der Ruhe in den Ausstellungshäusern geschuldet ist – erzählt „Museum Hours“ die Geschichte des Museumswärters Johann (Bobby Sommer), dessen Liebstes es ist, sich stundenlang alleine in den Gemälden Bruegels im großen Saal zu vertiefen. Bis er Anne (Mary Margaret O’Hara) kennenlernt, eine Art Seelengefährtin, mit der er fortan über die Kunst und das Leben diskutiert.
DIE MÜHLE UND DAS KREUZ
Ein ganzer Film in einem Gemälde
„Aber der spielt doch gar nicht in einem Museum!“ wird der Kenner jetzt monieren. „Pustekuchen“, kann der Autor dieser Zeilen nur entgegnen. Denn wo wir eben bei Bruegel waren, passt Lech Majewskis Film perfekt und betritt ebenfalls einen Raum, der Kunsthistoriker-Herzen zum kollabieren bringen würde: „Die Mühle und das Kreuz“ (Schweden/Polen 2011) spielt zum größten Teil in dem Gemälde „Die Kreuztragung Christi“ von Pieter Bruegel dem Älteren und erzählt vom Alltag von einem Dutzend der 500 dort abgebildeten Personen. Majewski folgt den Ausführungen des Kunsthistorikers Michael Francis Gibson und gibt in seinem die Bildsprache der Vorlage aufgreifenden Filmessay eine filmische Interpretation des Renaissance-Meisterwerks und erzählt zugleich von dessen Entstehung.
THE INTERNATIONAL
Zehn Minuten Showdown: Guggenheim Museum ade
Nur rund zehn Minuten spielt Tom Tykwers actiongeladener Politthriller „The International“ (USA/Deutschland/Großbritannien 2009) im Guggenheim Museum New York. Was da passiert, könnte als aufwendig inszenierter Tritt in den Allerwertesten der kultivierten Welt beschrieben werden und ist eine der wohl einprägsamsten filmischen Museumszenen der letzten Jahre, und deshalb Showdown unserer Reihe: Ein Killerkommando macht im New Yorker Guggenheim Jagd auf den Interpolagenten Louis Salinger (Clive Owen) und zerlegt dabei das Ausstellungshaus. Ein regelrechter Kleinkrieg entbrennt in den atemlosen Minuten zwischen den Etagen des markanten Rotundenbaus, schreiende Museumsbesucher, zerfetzte Körper und zerschossene Videoinstallationen des Künstlers Julian Rosefeldt inklusive. Da im Original verboten, wurde kurzerhand in einem Nachbau in Babelsberg gedreht, an dem 16 Wochen gebaut wurde. Guggenheim Babelsberg, ein Bilbao-Effekt der besonderen Art für eine Museumsszene der besondere Art.