FEELING BLUE
Die Kunst macht blau: Das SCHIRN MAGAZIN auf der Suche nach der Farbe Blau in der Kunstgeschichte.
Von Schirn Magazin„Blau“, das ist in der Kunst seit jeher mehr als nur eine beliebige Farbe, mit der Flächen gefüllt, Konturen gezogen und andere Farben zum Zusammenspiel aufgefordert werden. „Blau“, das ist die Farbe, die – als Gegenpart zu Gelb- und Orangetönen – als kalt und in Hinblick auf die Perspektive als Hintergrundfarbe gilt. So avanciert sie zum Symbol für Sehnsucht und Weite. „Blau“, das ist aber auch die Farbe, die im Mittelalter für den Himmel, für Gott und Engel steht.
Anlässlich des partizipativen Kunstprojekts mit Jeppe Hein Today I feel like... macht sich das SCHIRN MAG auf die Suche und versammelt bedeutende Werke der Kunstgeschichte, stellvertretend für aberhunderte von Künstlerinnen und Künstler, die sich der Farbe Blau bedienen.
Jeppe Hein, Today I feel like..., 2020
In einem Tagebuch hält der dänische Künstler Jeppe Hein täglich seine Stimmung als spontanes Selbstportrait fest. Die blauen Aquarelle bringen in ihrer einfachen Form Fröhlichkeit, Sorge, Neugier oder etwa Entspannung zum Ausdruck. In der Rotunde der Schirn lädt der Künstler die Besucherinnen und Besucher an zwei Wochenenden im August dazu ein, sich ihrer eigenen Gefühls- und Gedankenwelt bewusst zu werden und ihre Emotionen mit blauer Farbe auf weißem Grund zu visualisieren.
Pablo Picasso, Femme aux Bras Croisés, 1901/02
Wenn von der „Blauen Phase“ eines Künstlers die Rede ist, dann dürfte sich in den meisten Köpfen augenblicklich ein Name auftun: Pablo Picasso, das spanische Wunderkind der Kunst, das schon mit 20 Jahren seinen ersten eigenständigen Stil formte, der sich von einer melancholischen Stimmung geprägt zeigt – eben jene „Blaue Phase“ (1901-1904) zeigt vor allem Motive des menschlichen Elends, bevor sie um 1905/06 von der „Rosa Phase“ aufgehellt wird.
Joan Miró, Malerei (Figuren: Die Brüder Fratellini), 1927
So wenig sich Joan Miró auf einen Kunststil festlegen wollte, so wenig verweilte er auch bei einer immer gleichen Farbpalette. Das Blau allerdings sollte für seine Karriere eine bedeutende Rolle haben, denn seine blauen „Traumbilder“ (1925-1927) begründeten Mirós Ruhm und die Farbe begleitete ihn noch über Jahrzehnte seines Schaffens.
Goshka Macuga, The Nature of the Beast, 2009
Goshka Macuga verarbeitet Fetzen der Geschichte in umfassende Kunstinstallationen. Für „The Nature of the Beast“ referiert die Künstlerin etwa auf das Setting, vor dem der ehemalige amerikanische Außenminister Colin Powell 2003 vor dem Sicherheitsrat der Vereinigten Nationen in New York eine Rede hielt, die den Einsatz von US-Truppen im Irak rechtfertigen sollte. Ironischerweise im Hintergrund: Picassos „Guernica“ und damit das pazifistische Gemälde der Moderne schlechthin. Das Gemälde wurde kurzerhand mit einem blauen Tuch verhüllt, umrahmt von den offiziellen Flaggen des Sicherheitsrates.
Irma Blank, Avant-testo, 25-3-2000, 2000
Irma Blank kreiert abstrakte Bilder besonders häufig in einer Farbe: Blau. In Kleinstformat und hellen Tönen, oder aber wie in „Avant-testo, 25-3-2000“, für das sie mit einem Kugelschreiber auf Polyester ein dichtes Farbnetz in runder Stiftführung erschaffen hat, das gleichermaßen den Himmel und das Meer assoziiert.
Yves Klein, Blue Monochrome, 1961
Ein weiterer „Meister der Blaufärbung“ ist Yves Klein, der – nachdem er beeindruckt von dem Blau der Fresken in der Basilika von Assisi von einer Italienreise zurückkehrte – seine ersten monochromen Bilder zu malen begann. Daraus entwickelten sich die sogenannten „Monochromien“-Bilder, die er zunehmend in monochromes Ultramarinblau färbte. 1960 ließe sich Klein diese Farbe sogar unter der Bezeichnung „International Klein Blue (I.K.B.)“ patentieren.
Leonardo da Vinci, Felsgrottenmadonna (2. Version), 1493–1495
Maria, in ein blaues Gewand gehüllt – so sieht man sie im Mittelalter auf unzähligen Darstellungen. Eingehüllt in ein Kleid aus der damals schwer zu beschaffenden und wertvollen Farbe wird die Jungfrau Maria hierdurch erkennbar, beispielsweise in der zweiten Version der Felsengrottenmadonna von Leonardo da Vinci.
Sylvie Fleury, Do not think of the color blue for 30 seconds
„Do not think of the color blue for 30 seconds", schreibt Sylvie Fleury in weiß-milchiger Leuchtschrift an die Wand – und spätestens jetzt dürften alle unweigerlich nur noch blau sehen.
Katsushika Hokusai, Die große Welle vor Kanagawa, aus der Serie „36 Ansichten des Berges Fuji“, ca. 1830
Hokusai begeisterte sich so sehr für den aus Europa importierten synthetischen Farbstoff Preußisch-Blau, der im Gegensatz zu japanischen Naturfarben nicht schnell verblasste, dass er die ganze Fuji-Serie (1830-1836) dominieren sollte. Eine Serie, die sein Verleger 1831 als „Einzelblätter in Blau“ bewarb und zu der auch die Arbeit „Die große Welle vor Kanagawa“ gehört, die als weltweit bekanntestes japanisches Kunstwerk gilt.
Franz Marc, Die großen blauen Pferde, 1911
„Je tiefer das Blau wird, desto mehr ruft es den Menschen in das Unendliche, weckt in ihm die Sehnsucht nach Reinem und schließlich Übersinnlichem“, sagte einst der Künstler des „Blauen Reiter“, Wassily Kandinsky. Aus dem Pinselstrich seines Freundes und Mitstreiters Franz Marc entstand zugleich eine der bekanntesten Werkreihen der Künstlergruppe, die sich in expressionistischer Manier von der naturalistischer Farbgebung verabschiedet: die blauen Pferde.
Birgit Jürgenssen, Ohne Titel (Serie), 1988/89
Zwischen 1988 und 1989 beschäftigte sich Birgit Jürgenssen intensiv mit der Cyanotypie, auch bekannt als Blaudruck, ein altes fotografisches Edeldruckverfahren mit den namensgebenden cyanblauen Farbtönen, das bereits 1842 von der Botanikerin Anna Atkins in der Fotografie angewendet wurde. In den Cyanotypien erscheint das Motiv nicht scharf konturiert, dennoch zeichnen sich weiße, flächige Silhouetten vor dem blauen Hintergrund ab, mit denen Jürgenssen den tradierten Vorstellungen eines Porträts ihre Variation entgegensetzt.