Theorie und Praxis. Politik und Style. Bei dem Frankfurter Graphikdesigner Felix Kosok fügt sich das prima zusammen. Ein Küchengespräch im Bahnhofsviertel.
„Design hat immer auch eine politische Dimension. Gutes Design kann demokratiefördernd wirken, wenn wir immer wieder neu verhandeln, wie wir unsere gemeinsame Lebenswelt gestalten wollen und dabei für andere Perspektiven offen sind. Wenn das gelingt, ist jeder Designentwurf ein Vorgriff auf eine bessere Zukunft“. Diese optimistischen Worte fallen an einem Dienstagmorgen in der Küche von Felix Kosoks Wohnung im Frankfurter Rotlichtviertel. Er teilt sie sich mit einem Freund, der allerdings die meiste Zeit abwesend ist, weil er in Berlin bei der Lufthansa arbeitet.
In fast allen Zimmern, sogar im Bad, hängt oder lehnt – dezent dosiert – gerahmte Kunst an den Wänden. Wir sitzen uns an einem jener Ateliertische – Modell „Eiermann“ – gegenüber, mit denen auch die Seminarräume an der Offenbacher Hochschule für Gestaltung ausgestattet sind. Vor uns dampft Kaffee mit Sojamilch aus weißen Tassen.
Über Politik und Design hat Kosok eine Doktorarbeit geschrieben
Über das Verhältnis von Politik und Design hat Kosok 2015 an der HfG seine Doktorarbeit geschrieben. Im Transcript Verlag ist sie dieses Jahr als Buch erschienen. Im Nebenraum, Kosoks Schlaf- und Arbeitszimmer, liegen einige Exemplare eingeschweißt auf einem Highboard. Auf dem Schreibtisch steht sein Laptop, der aber gerade kaputt ist. Ein schwarzer Balken, der dort nicht hingehört, teilt das Display in zwei Hälften. Im Anschluss an unser Treffen hat Kosok deshalb einen Termin im Apple Store.
„Mein Arbeitsplatz ist überall dort, wo ich mein MacBook aufklappe“, sagt Kosok. Zum Beispiel im Zug auf dem Weg nach Berlin, wo er ab Oktober an der German International University als Professor Graphikdesign und Designtheorie unterrichtet. Oder im Lindley Hotel im Frankfurter Ostend, wo er zusammen mit seiner Geschäftspartnerin Anne Ranches den Coworking Space nutzen darf. Im Gegenzug beraten die beiden das vegane Restaurant Leuchtendroter, das zum Hotel gehört, bei der Markenkommunikation. „Anna und ich ergänzen uns prima. Ihre Designs sind meist reduced to the max, während ich es eher bunt und verspielt mag. Oft treffen wir uns dann in der Mitte.“ Die beiden haben vor zwei Jahren nicht nur ihr gestalterisches Know-how, sondern auch die Namen ihrer Frankfurter Designbüros zusammengeworfen. Aus Studio069 (Kosok) und Bureau Mitte (Ranches) entstand so das Bureau069.
Zu Kosoks Auftraggeber*innen gehören die SCHIRN, das Ludwigshafener Wilhelm-Hack-Museum und die Jüdische Gemeinde in Frankfurt. Vor uns auf dem Küchentisch hat er Ausstellungskataloge, Programmhefte und Plakate ausgebreitet, die er entworfen hat. Auf einer Reihe von Postern, die für die Jüdischen Kulturwochen werben, ließ Kosok den Buchstaben „o“ im Motto „More Joy, less Oy“ wie einen lustigen Ball über das Papier hüpfen oder dehnte ihn zu einem breiten Grinsen.
Mein Arbeitsplatz ist überall dort, wo ich mein MacBook aufklappe
„Plakate machen mir besonders viel Spaß. Sie funktionieren nach ähnlichen Kriterien wie ein Post auf Instagram oder Facebook – bloß im öffentlichen Raum. Sie müssen auf Anhieb überraschen, aber auch auf den zweiten Blick noch interessant sein.“ Seine Bildsprache hat einen hohen Wiedererkennungswert. Das hat ihm übrigens auch seine Mutter schon bestätigt. Kosok erzählt eine Anekdote: „Einmal hat sie mich angerufen, als sie in der Innenstadt – allerdings ohne es zu wissen – vor einem meiner Plakate stand. Sie sagte. „Ich stehe hier vor einem Poster, das ganz nach Dir aussieht.“
Ursprünglich wollte er Künstler werden
Kosok zeichnete schon als Kind gerne und viel. „In meiner Jugend in den Neunzigern war ich ein großer Manga- und Comic-Nerd. Eine Kunstlehrerin an der Schule hat mir geraten, mich mit einer Mappe voller Tuschezeichnungen an der HfG zu bewerben. In meinem Leben gab es immer wieder Situationen, in denen ich den Empfehlungen starker Frauen gefolgt bin.“ Ursprünglich wollte Kosok Künstler werden, merkte aber schnell, dass ihm das Angewandte mehr liegt.
„Die Kunst hat mich aber immer noch im Griff“, erzählt er. Als Gründungsmitglied des Kunstvereins Mañana Bold kuratiert er Ausstellungen in Offenbach und Frankfurt. „Wir sind ein nomadischer Kunstverein und wollen die Grenze zwischen den beiden Städten verwischen.“ Kosok bezeichnet sich selbst als Polypragmatiker, also als Vieltuer. Es gefällt ihm an seinem Job, dass er sich nicht auf eine einzige Aufgabe konzentrieren muss. Immer mal wieder designt er T-Shirts oder schreibt Artikel - zum Beispiel auch für das SCHIRN MAG.
Wir stehen mittlerweile im Schlaf- und Arbeitszimmer nebenan. Neben dem Bett liegt eine Kugelhantel. In seiner Jugend war Kosok Leistungsschwimmer, startete für die Schwimmgemeinschaft Frankfurt, trainierte bis zu neun Mal pro Woche. Bis heute ist Sport ihm wichtig. Morgens trifft man ihn häufig im Fitnessstudio oder der Schwimmhalle. Viele Taschenbücher aus der Reihe „Suhrkamp Wissenschaft“ füllen die beiden hohen Regale. Auf Kosoks Schreibtisch liegt ein Buch zum Thema „Politik und Style“, über das er an der Stuttgarter Akademie der Künste demnächst ein Seminar geben wird. Kosok streift sich einen Rollkragenpullover aus grünem Samt über sein Shirt. „Michel Foucault mit Swag“ kommentiert er selbstironisch sein Outfit. Theorie und Praxis. Lässigkeit und Politik. Körper und Geist. Bei Felix Kosok passt das alles ganz prima zusammen.
Die Kunst hat mich immer noch im Griff