Das Frankfurter Duo Les Trucs bewegt sich mit seinen Performances an der Schnittstelle von elektronischer Musik, Kunst und Theater. Ein Besuch zwischen Synthesizern und skurrilen Bühnenoutfits im Proberaum.

Zwischen all den Tasteninstrumenten, die sich im Proberaum von Les Trucs zu einer beachtlichen Sammlung fügen, wirkt die einsame E-Gitarre, die in ihrem Instrumentenkoffer auf dem Boden liegt, fast wie ein Fremdkörper. „Ich war früher in einer Hardcore-Punk-Band, habe aber schon lange nicht mehr Gitarre gespielt“, erzählt Toben Piel. „Stimmt nicht!“, verrät Charlotte Simon. „Erst vorhin kam Toben damit um die Ecke und hat eine Heavy-Metal-Melodie gedudelt.“

Wir befinden uns in einem Fechenheimer Künstlerhaus, das früher einer Aufzugsfirma als Verwaltungstrakt diente. In selbstgezimmerten Regalen stapeln sich analoge und digitale Synthesizer, Sequenzer und Drummaschinen aus den vergangenen vier Dekaden. In einer Nische steht ein Klavier. An den Wänden hängen auf Leinwand gedruckte Videostills, die Simon während ihres Studiums an der Frankfurter Städelschule angefertigt hat. Auf einem Tisch in der Ecke sitzt eine Porzellankatze in Mettwurst-Optik. „Was aussieht wie Fleisch, ist in Wirklichkeit Knete“, sagt Simon. Die Skulptur haben Les Trucs – garniert mit einem Zwiebelring über dem linken Ohr – einst auf dem Plattencover ihres Albums „The Musical“ verewigt.

Ihr Sound ist minimalistisch, rau und energiegeladen

Gerade erst ist mit „Wir zieh’n das Geld an wie ein Magnet“ eine neue EP des Frankfurter Duos erschienen. Die Release-Show im Mousonturm, die für Ende November geplant war, fiel Corona zum Opfer. Der Sound der vier Lieder: Minimalistisch, rau und energiegeladen. Ein bisschen fühlt man sich an den deutschen Underground der frühen Achtzigerjahre erinnert – an Bands wie DAF oder Palais Schaumburg zum Beispiel. Die Texte sind assoziativ und lakonisch. In „Kühles Moos“ persiflieren Les Trucs Motivationssprüche aus Selbstoptimierungsseminaren. In „Sepia“ werden Tintenfische besungen: „Schleichen durch den Wassergraben, schön wechselst du deine Farben.“

Foto: Neven Allgeier
Foto: Neven Allgeier

Die Konzerte von Les Trucs sind eigenwillige Performances, bei denen die Grenze zwischen Bühne und Publikum verschwindet. „Wir spielen normalerweise nie auf Bühnen, sondern immer mitten im Raum“, erzählt Piel. „Die Leute sollen um uns herumlaufen und alles genau betrachten können“, ergänzt Simon. „Oft erfordert das viele Diskussionen mit den Veranstaltern.“ Die Sounds ihrer schweren Studiosynthesizer bauen Les Trucs für ihre Auftritte auf kleineren, handlicheren Geräten nach. Mitten im Proberaum steht, umringt von wuchtigen Verstärkerboxen, der Tisch mit dem Live-Equipment. Er ist ebenso eine Spezialanfertigung wie die Rucksäcke mit Mikrofontechnik und LED-Lampen, die das Duo live auf den Schultern trägt.

Vor Corona spielten sie in Japan, St. Petersburg oder auch mitten im Wasser

Gibt es Auftritte, an die sich besonders gerne erinnern? „Bei Konzerten im Rhein-Main-Gebiet haben wir früher manchmal Freunde eingeladen und ihnen Textzettel in die Hand gedrückt. Auf ein Zeichen, immer wenn im Saal das Licht anging, mussten sie mitsingen. Diese Zettelchöre waren toll“, schwärmt Piel. „Sie waren aber auch eine Sparmaßnahme“, gibt Simon zu. „Einen professionellen Chor konnten wir uns nicht leisten.“ Ihr selbst haben es vor allem Reisen in ferne Länder angetan. Auftritte in Japan oder St. Petersburg zum Beispiel. In den Niederlanden spielten sie mitten im Wasser. In Madrid gaben sie ein Konzert auf einem Hausdach. „In einer besonderen Architektur oder Landschaft zu spielen: Das finde ich prima.“

Foto: Neven Allgeier

Piel arbeitete früher als Pflegeassistent in einem Altenheim, Simon studierte Kunst an der Städelschule. Ende der Nullerjahre waren die beiden Teil der Punkszene und spielten in vierköpfigen Bands. „Irgendwann haben wir die Menschen durch Maschinen ersetzt, um den Arbeitsprozess zu beschleunigen“, erinnert sich Simon. „Toben hat mehr mit Beats zu tun, ich mehr mit Melodien. In einer Band wäre er der Schlagzeuger und ich die Gitarristin oder Keyboarderin“, beschreibt sie die Arbeitsteilung des Duos. „Ich arbeite meist schneller, Toben dafür genauer. In der Kombination funktionieren viele Dinge, auch außermusikalische wie zum Beispiel Anträge schreiben, ganz gut.“

Zusammen mit Benjamin Bascom betreiben Simon und Piel seit einigen Jahren das Tape-Label MMODEMM. Die drei Freunde veröffentlichen dort vorwiegend elektronische Instrumentalmusik – meist auf Kassette, einem vermeintlich ausgestorbenen, in Wahrheit aber quicklebendigem Medium. Vor kurzem hat Piel ein Tape herausgebracht, das er unter dem Pseudonym „Das Kinn“ aufgenommen hat.

Irgend­wann haben wir die Menschen durch Maschi­nen ersetzt [...].

Charlotte Simon
Foto: Neven Allgeier

Längst machen Les Trucs nicht nur Musik, sondern bewegen sich mit ihren Performances an der Schnittstelle zu Theater und Kunst. Es fing damit an, dass der Regisseur Nis-Momme Stockmann, der damals Hausautor am Schauspiel Frankfurt war, sie dazu einlud, einige seiner Projekte musikalisch zu begleiten. „Damit hatten wir einen Fuß in der Theaterwelt“, sagt Simon. Es folgten eigene Projekte in der freien Theaterszene. Zuletzt inszenierten sie 2019 am Mousonturm eine selbstkomponierte „Unterwasser-Flötenmusik“, die vom Science-Fiction-Roman „Der Krieg mit den Molchen“ des Autors Karel Čapek inspiriert war. Passend zur Performance im Feuchtgebiet, in das sich die Bühne verwandelte, zwängten sich die Musiker in hautenge Neoprenanzüge.

Les Trucs machen längst nicht nur Musik

Bevor wir aufbrechen, stöbern Simon und Piel mit uns noch ein bisschen in den Kisten, die in dem Regal neben der Tür stehen. Skurrile Bühnenoutfits (Metzgerschuhe, Gummilatschen in Fischform) und Kleinelektronik (Oszillatoren, ein optisches Theremin) kommen zum Vorschein. Außerdem ein hölzerner Papagei. „Der ist uns vor langer Zeit in einem besetzten Haus in Zürich zugeflogen“, erinnert sich Piel. „Früher war er so etwas wie ein Maskottchen und hat uns regelmäßig auf Tour begleitet.“

Foto: Neven Allgeier

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