So lautet die Devise von Patrick Raddatz und Teimaz Shahverdi. In ihrem neu gegründeten Büro „Team Azita“ realisieren sie Projekte an der Schnittstelle von Kunst, Mode, Design und Musik.

„Du kannst deine Schuhe ruhig anlassen“. Teimaz Shahverdi läuft barfuß über das Parkett der Altbauwohnung im Frankfurter Nordend, in der er zusammen mit seiner Frau und drei Kindern lebt. Sein rechtes Sprunggelenk ist bandagiert, weil er vor kurzem unglücklich umgeknickt ist. Er serviert Melissentee, den wir aus henkellosen Tassen trinken. Dazu eine Schale mit Schokoladensplittern und Nüssen. Im Wohnzimmer hängen Kinderzeichnungen, Familienfotos und Kunst an den Wänden. Den hölzernen Esstisch haben Teimaz und Patrick Raddatz mit ihren Laptops in Beschlag genommen.

Vorerst arbeiten die beiden von zuhause aus. Im vergangenen Oktober haben sie sich zu „Team Azita“ zusammengeschlossen – einem Büro, in dem sie Konzepte und Projekte im Bereich Kunst, Design, Musik sowie Mode entwickeln und beispielsweise im Umfeld von Kulturinstitutionen realisieren. „Wir suchen gerade einen multifunktionalen Raum mit Schaufenster für die Außenwirkung, idealerweise in der Innenstadt“, erzählt Patrick. „Der Raum sollte Platz für Ausstellungen bieten und nicht zuletzt auch Anlaufstelle für unsere Kinder sein, wenn sie nach der Schule vorbeischauen“, ergänzt Teimaz. An konkreten Projekten wird bereits gearbeitet, sie sind aber noch nicht spruchreif.

„Azita stand schon immer für einen Möglichkeitsraum, in dem die unterschiedlichsten Dinge stattfinden konnten. Der Name ist mit einem ‚Anything can happen‘ verbunden“, sagt Patrick und verweist damit auf eine lange Geschichte von unterschiedlichen Projekten, denen das Label „Azita“ anhaftete. Den Namen gab es nämlich schon lange vor der Gründung des „Team Azita“. 

Azita stand schon immer für einen Möglich­keits­raum, in dem die unter­schied­lichs­ten Dinge statt­fin­den konn­ten.

Patrick Raddatz

Bereits 2005 eröffnete Teimaz in der Münzgasse den Klamottenladen „Azita Store“, zu dem anfangs auch eine Skateboardabteilung und eine Kellergalerie gehörten. Es folgte eine Reihe von Pop-Up-Stores, zum Beispiel im Foyer des Museums für Moderne Kunst. „Azita hieß meine Tante, die sehr stark und tapfer war“, erklärt Teimaz. „Mir gefiel damals aber auch dieser Anklang von ‚Assi‘, der in dem Wort mitschwingt.“

Azita steht auch für Stärke und Tapferkeit - und „Assi“ schwingt da auch irgendwie mit

2012 gab Teimaz seinen Laden auf, um sein Studium an der Offenbacher Hochschule für Gestaltung zu beenden. „Das war eine Familienentscheidung“, erzählt er. „Unser drittes Kind war gerade unterwegs. Ich will kein Glaubwürdigkeitsproblem bekommen, wenn ich meinen Kindern irgendwann einmal erklären muss, dass man bestimmte Dinge besser zu Ende bringt. Außerdem war es mir wichtig, meine Frau Badia zu unterstützen. Ihre Firma „Badias Catering“ wurde damals richtig erfolgreich und warf eine Menge Arbeit ab.“ Für Badia, die mittlerweile das Schirn-Café betreibt, hat das „Team Azita“ inzwischen das Marketing übernommen. „Sie war unsere erste Kundin“, sagt Teimaz.

Foto: Neven Allgeier

Der „Azita Store“ war auch der Ort, an dem Patrick und Teimaz sich 2010 zum ersten Mal begegneten. „Später liefen wir uns dann auch an der HfG immer öfter über den Weg“, erinnert er sich. „Die HfG ist eine kleine, familiäre Hochschule. Dort lernt man seine Kommilitonen schnell kennen. Das ist von Vorteil.“ Beide studierten sie „Experimentelle Raumkonzepte“ bei Heiner Blum. Bei ihm lernten sie, Räume zu bespielen, Kunst an unerwartete Orte zu tragen und mit lässiger Selbstverständlichkeit Brücken zu anderen Bereichen urbaner Lebenskultur zu schlagen.

Die HfG ist eine kleine, fami­liäre Hoch­schule. Dort lernt man seine Kommi­li­to­nen schnell kennen.

Teimaz Shah­verdi

Während Teimaz sich viel mit Mode und Gastronomie beschäftigte (er entwickelte das Konzept für das Bistro im Museum Angewandte Kunst und kuratierte die Ausstellung „Trading Styles“ im Museum Weltkulturen), hatte es Patrick die elektronische Musik angetan. In den Neunzigern veranstaltetet er mit Freunden zusammen Partys, oft an illegalen Orten, und legte als DJ auf. Später baute er mit Heiner Blum an der HfG das Institut für Klangforschung auf und etablierte im Offenbacher Club „Robert Johnson“ die Vortragsreihe „Theorie“.

Mode, Musik, Gastronomie, DJ und Kurator - die beiden können Einiges vorweisen

„Unser Ziel war es, gerade jene Studierende zu ermutigen, die über keine klassische musikalische Ausbildung verfügen. Wir wollten ihnen das nötige Knowhow vermitteln, mit dessen Hilfe sie dann im Studio etwa Musik, Hörspiele oder Performances produzieren können“, sagt Patrick, der mittlerweile selbst an der HfG unterrichtet. Ähnlich wie Teimaz, betätigte sich auch er schon früh als Kurator. „Wie die meisten Studenten, war ich natürlich scharf darauf, selbst auszustellen“, sagt Patrick. In der Klasse von Martin Liebscher hatte er an der HfG Fotografie studiert. 

Foto: Neven Allgeier

„Meine Arbeiten wurden mit der Zeit immer aufwändiger und komplexer. Ich wollte nicht irgendwann mein ganzes Hab und Gut verpfänden, um die nächste Kunstproduktion anleiern zu können“, erzählt er. Er wechselte hinter die Kulissen des Kunstbetriebs. Heiner Blum vermittelte ihm ein Praktikum bei der Designagentur MESO, aus der eine langjährige Mitarbeit erwuchs. Im Umfeld von MESO entstand das renommierte NODE-Festival für digitale Künste, dessen erste Ausgabe Patrick 2008 mitorganisierte. „Ich habe zwar immer noch Notizen und Pläne für eigene Arbeiten“, sagt Patrick. „Im Moment gibt es aber so viele andere Dinge zu erledigen.“

Inzwischen wurden am Tisch schon einige Nüsse geknackt. Teimaz schenkt noch einmal Tee nach. Vor dem Fenster, wo ein Wäschetrockner auf dem Balkon steht, wirbelt der Wind dünne Schneeflocken auf. Irgendwann betritt sein 9-Jähriger Sohn das Zimmer. Er will sein Taschengeld abholen, um sich davon Pokemonkarten zu kaufen. Es folgt ein kurzer Dialog über den Sinn oder Unsinn der geplanten Investition. Dann verabschieden auch wir uns.

Ich wollte nicht irgend­wann mein ganzes Hab und Gut verpfän­den, um die nächste Kunst­pro­duk­tion anlei­ern zu können.

Patrick Raddatz
Foto: Neven Allgeier

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