Harter, frecher, direkter Humor vereint mit großer Sensibilität und Gespür für gesellschaftlich relevante Themen. Für die Offenbacher Comedienne Parshad Esmaeili ist das kein Widerspruch.
Jack Nicholsons fieses Gesicht aus dem Horrorfilm „The Shining“ klebt als Poster an einer Tür. Wir trauen uns trotzdem kurz hinein in den Raum, in dem gerade ein Video für Parshad Esmaeilis Youtube-Kanal geschnitten wird, den die Comedienne in Zusammenarbeit mit dem öffentlich-rechtlichen Netzwerk Funk betreibt. Jeden Sonntag um Punkt 18 Uhr geht eine neue Folge online. Im lichtdurchfluteten Nebenzimmer räumt Esmaeili einen Stapel Zeitschriften von der Schreibtischplatte, um Platz für Snacks zu schaffen: Bananen, Kekse und Nüsse. Erhan Dogan, Esmaeilis Manager und Kopf der Filmproduktionsfirma 1 Take, ist gerade mit einer großen Tüte vom Einkaufen zurückgekommen.
"Das Herzstück des Projekts Parshad"
Wir befinden uns in einem Büroloft im Gewerbepark Rumpenheim – dem vielleicht idyllischsten aller Offenbacher Stadtteile. Das Schloss mit dem großen Park ist nicht weit entfernt. Vor den Fenstern fließt, versteckt hinter Bäumen, der Main vorbei. „Hier ist das Herzstück des Projekts Parshad“, erzählt Esmaeili. „Hier schreibe ich meine Drehbücher und oft werden hier auch meine Videos gedreht. Außerdem finden in diesen Räumen viele Mental-Health-Gespräche statt. Hier habe ich nächtelang gearbeitet, gelacht und geweint. Wenn ich einmal Probleme habe, finde ich hier nicht nur ein Produktionsteam, sondern auch eine Familie, die sich um mich kümmert.“ Heute Nachmittag entsteht vor Ort eine Folge mit dem Titel „Schlechte Polizistinnen“. Sie ist Teil einer Mini-Serie, in der sich zwei Freundinnen in unterschiedlichen Jobs ausprobieren und dabei fast alles falsch machen, was man falsch machen kann. Auf Dogans Schreibtisch liegen schon die Handschellen bereit.
Ich bin aufgewachsen mit lustigen Onkels und einem großen Bruder, der noch viel lustiger war als ich
Mit Stand-up-Comedy fing ihre Karriere an
Esmaeili greift zu einer Flasche zuckerloser Cola. „Ich bin wirklich süchtig danach“, erzählt sie. „Vor Auftritten brauche ich keine fancy Catering – lediglich Coke Zero.“ Im vergangenen Mai tourte sie mit einem Stand-up-Programm durch fünf deutsche Städte. „In Berlin hat mich das Publikum mit Zwischenrufen am meisten getestet. Die lauteste Stadt war Stuttgart, die wildeste München. In Hamburg waren die Zuschauer etwas ruhiger – aber auf die gute Art“, erinnert sie sich. „Frankfurt war natürlich ein Heimspiel. Die Stadt hat mir am meisten Liebe gegeben.“
Mit Stand-up-Comedy fing ihre Karriere an. Ihren ersten Auftritt hatte sie bei einer Open-Mic-Session in einem Raum über dem Frankfurter Berger Kino. „Social Media war für mich zunächst nur eine Möglichkeit auszuprobieren, wie bestimmte Nummern ankommen, bevor ich mit ihnen auf die Bühne gehe“. Inzwischen hat Esmaeili fast 900000 Follower auf TikTok. „Eigentlich bin ich ja noch immer eine Newcomerin“, sagt die 24jährige. „Doch die drei Jahre, in denen ich im Geschäft bin, fühlen sich manchmal an wie zehn – so viel ist inzwischen passiert.“ Auftritte an der Seite von Jan Böhmermann im ZDF Magazin Royal oder als „Miss Aldi Nord“ auf dem Deichbrand Festival zum Beispiel. Vor kurzem übernahm sie eine Rolle in der deutschen Ausgabe der satirischen Netflix-Kurz-Serie Don’t Look up.
„Viele Menschen sehen in mir ein Middle-Eastern-Girl mit westlichen Verhaltensmustern. Mir ist es aber wichtig, keine Ethno-Comedy zu machen und erfundene Geschichten zu erzählen – etwa dass mich meine Mutter als Kind mit dem Schuh verprügelt hat oder ähnlichen Quatsch. Mit kulturellen Klischees zu spielen ist immer schwierig, weil man sich nie sicher sein kann, ob das Publikum dann mit oder über einen lacht.“ Eine ihrer Stand-up-Nummer handelt von einem heimlichen Road-Trip nach Amsterdam – im Auto der Mutter, das dabei ziemlich leiden muss. Eine andere – nur vermeintlich absurde – Geschichte dreht sich um eine Kupferkette als hormonfreie Alternative zur Pille. Dahinter steckt ein durchaus ernstes Anliegen: „Ich würde junge Mädchen gerne von der Pille wegbringen – oder ihnen wenigstens empfehlen, sich regelmäßig ärztlich untersuchen zu lassen.“ Harter, frecher, direkter Humor vereint mit großer Sensibilität und Gespür für gesellschaftlich relevante, politische Themen. Für Parshad Esmaeili ist das kein Widerspruch.
Humor kann eine Therapie, ein Heilmittel sein.
„Ich bin aufgewachsen mit lustigen Onkels und einem großen Bruder, der noch viel lustiger war als ich“, erzählt Esmaeili von ihrer Kindheit. Den allerersten Comedyfilm, den ich gesehen habe, waren ‚Otto und die sieben Zwerge‘. Den fand ich super. Später habe ich dann über trahsige Reality-Formate auf MTW – etwa ‚Pimp my Ride‘ – gelacht. Ansonsten hat mich vor allem Fantasy fasziniert – das Computerspiel ‚The Legend of Zelda‘ zum Beispiel. Ich habe alles gemocht, was ‚out of reality‘ war. Reality war manchmal einfach zu schmerzhaft.“
Sie erzählt von ihrer alleinerziehenden Mutter, die oft leiden musste, damit es der Familie gut geht. „Sie musste enorm viel arbeiten. Manchmal habe ich sie nur eine Stunde am Tag gesehen. Den Rest der Zeit haben sich meine Tante und eine Tagesmutter um mich gekümmert. Als Kind war ich deshalb sehr wütend auf Deutschland.“ Nach dem Abi begann Esmaeili in Mainz Politikwissenschaften und Publizistik zu studieren. „Eines meiner Anliegen war, etwas an der finanziellen Situation von alleinerziehenden Müttern und Vätern zu ändern. Doch ich habe schnell gemerkt, dass sich nicht einfach mal so das System ändern lässt.“
Esmaeili stand vor der Aufgabe, ihr Studium, eine beginnende Karriere beim Radio (für das Comedy-Ratgeber-Format „Frag Parshi“ auf Planet Radio gewann sie 2020 den Deutschen Radiopreis) und erste Auftritte als Stand-up-Comedienne (die sie ihrer Mutter zunächst verheimlichte) unter einen Hut zu bringen. „Ich bin ständig zwischen drei Städten hin- und hergependelt. Ich glaube, das war einfach zu viel für einen jungen Menschen. Bei mir führte das zu einem Burnout. Ich musste ins Krankenhaus und saß fünf Tage im Rollstuhl.“ Inzwischen hat Esmaeili ihr Studium abgebrochen. „Mir gefällt es zwar noch immer, mich in den unterschiedlichsten Bereichen auszuprobieren, aber man kann nicht überall gleichzeitig Gas geben“, sagt sie. Sie hat gelernt, auch einmal Nein zu sagen, wenn ihr etwas zu viel wird. Ihren Podcast „Frühlife Crisis“ zum Beispiel, in dem sie auch über ernste bis schmerzhafte Themen sprach, hat sie deshalb im vergangenen Dezember nach 27 Folgen beendet. Das Lustige und das Schmerzhafte sind ohnehin eng miteinander verwandt, findet Esmaeili. „Humor kann eine Therapie, ein Heilmittel sein.“
Ein wichtiger Moment in ihrer Karriere war der Tag, an dem die Comedienne Enissa Amani einen Beitrag von Esmaeili auf Instagram teilte. Es kam zu einem Treffen mit ihr und Erhan Dogan, der auch Amanis Manager ist. „Ich war auf der Suche nach einem Management und dachte, Enissa könnte mir vielleicht jemanden empfehlen. Niemals hätte ich gedacht, dass die beiden mich selbst unter Vertrag nehmen würden. Damals wurde mir klar, dass Comedienne tatsächlich ein ernsthafter Beruf sein kann. Mittlerweile arbeite ich 24/7, habe eine eigene Firma und ein Team von über zehn Leuten.“ Drei Wochen Urlaub zu machen, fällt ihr schwer. In der schnelllebigen Welt der sozialen Medien ist das eine lange Zeit. Trotzdem freut sie sich auf eine Auszeit diesen Sommer in der Türkei. „Seit ich zwölf bin, war ich nicht mehr am Strand.“