Folge 2 des vierteiligen 069 x THE CULTURE Specials: Vor zehn Jahren gründete Steffen Kurtz das Streetwear-Label BHFSVRTL. Mit einem Sticker, auf dem der Platz für Vokale fehlte, fing alles an. Wir haben Kurtz in seinem Laden auf der Berger Straße besucht.

„Spanische Orange oder Schwedische Blaubeere?“ Eine ungewöhnliche Frage, wenn man bedenkt, dass wir uns in einem Klamottenladen befinden. Doch Steffen Kurtz empfängt uns an diesem Samstagmorgen außerhalb der Geschäftszeiten. Zum Tee bietet er uns Brezeln und Kreppel an. Kein Stress, keine Eile. Sein „Section Store“ am unteren Ende der Berger Straße öffnet erst in zwei Stunden. Unser Blick im angenehm modern-minimalistisch eingerichteten Laden fällt auf eine Überwachungskamera als T-Shirt-Motiv. Oder ein Mercedes, der auf Betonblöcken ruht, was ein bisschen so aussieht, als hätte jemand die Reifen geklaut. Ein ironisches Spiel mit den gängigen Klischees, die über das Bahnhofsviertel als Verbrechens-Hot-Spot im Umlauf sind. Die Teile gehören zum Streetwear-Label BHFSVRTL, das Kurtz vor zehn Jahren gegründet hat.

Foto: Neven Allgeier

Kurtz ist gelernter Flugzeugbauer und studierter Wirtschaftsingenieur. Als Student jobbte er in der Bar „Pracht“, die etwas versteckt im Bahnhofsviertel liegt. „Damit man sie besser findet, haben wir Sticker drucken lassen.“ Es war einer dieser Sticker, auf dem die Abkürzung BHFSVRTL zum ersten Mal auftauchte. „Eine Notlösung“, sagt Kurtz. „Für die Vokale war auf dem Sticker schlicht kein Platz mehr.“ Bald prangte der ebenso lückenhafte wie einprägsame Schriftzug auf T-Shirts, die er in seiner Wohnung mit einer selbstgebauten Siebdruckmaschine bearbeitete. „Es entstand ein regelrechter Hype“ erinnert sich Kurtz. „Irgendwann musste ich einen Online-Shop eröffnen, weil ich Mühe hatte, auf die vielen Anfragen zu reagieren, die über Facebook reinkamen.“

Ein gewisses Maß an Lässigkeit

Es folgte ein Pop-Up-Store in der Moselstraße, dann – für die Dauer von zweieinhalb Jahren – ein Laden in der B-Ebene des Hauptbahnhofs. „Eigentlich war es naheliegend, dass ich nach meinem Abschluss bei der Lufthansa oder in einem Ingenieursbüro lande“, sagt er. „Mit meinem Label hatte ich mir inzwischen aber so viel Selbstbewusstsein erarbeitet, dass ich den Mut hatte zu sagen: Ich mach das jetzt hauptberuflich – auch wenn meine Familie davon nicht gerade begeistert war.“ Wie regelmäßig er neue Mode auf den Markt bringt, entscheidet Kurtz spontan. Zumindest gibt es keinen perfekt ausgetüftelten Releaseplan. Trotz aller Professionalität möchte er sich ein gewisses Maß Lässigkeit bewahren, wie es dem Chef eines Streetwear-Lables gut zu Gesicht steht. „Ich bin ein Freigeist“, sagt er. „Ich wache jeden Morgen auf und entscheide dann, in welche Richtung ich laufe.“

Steffen Kurtz, Foto: Neven Allgeier

BHFSVRTL ist eine Marke, die schon auf den ersten Blick ihre Verwurzelung in der Region verrät. „In kaum einer anderen Stadt gibt es einen so ausgeprägten Lokalpatriotismus wie in Frankfurt“, sagt Kurtz. „Davon profitiere ich natürlich.“ Mit „Sportfeld“ hat er inzwischen noch ein zweites Label gegründet, das ohne diesen Regionalitätsbezug auskommt. Von beiden Brands gibt es neben T-Shirts und Hoodies auch Basecaps, Beanies und Socken. Die Designs sind mal leicht verspielt, mal schnörkellos minimalistisch. Außerdem gehören Accessoires wie die roten Tassen mit dem Aufdruck „069“ zum Sortiment, aus denen wir bei unserem Besuch Tee trinken.

Als Kurtz vor vier Jahren in den Laden auf die Berger Straße eingezogen ist, ließ er einen Teil der Decke herausreißen. Dadurch ist im ersten Stock eine Art Galerie entstanden, von der man auf die Verkaufsfläche blickt. Kurtz und sein Mitarbeiter, der Store-Manager Berndre Becker, sitzen sich dort an Schreibtischen gegenüber. Auf einer Stange hängen sogenannte „Samples“ – also Prototypen von Kleidungsstücken, die noch einmal ausgiebig gemustert werden, bevor sie in Serie gehen. Die Fabriken, aus denen sie kommen, stehen zum Beispiel in der Türkei. An einer Wand lehnt Equipment, wie man es für Produktfotografie braucht. In einer Ecke steht ein Hundekorb. Seine beiden Vierbeiner begleiten Kurtz oft zur Arbeit.

Foto: Neven Allgeier

In den schnelllebigen Zeiten von TikTok werden von Influencer*innen immer neue Trends gesetzt, denen man sich als Modemacher*in anpassen muss, erzählt Kurtz. „Besonders bei den Schnitten muss man aufpassen, was gerade angesagt ist. T-Shirts zum Beispiel trägt man aktuell wieder kürzer.“ Erst vor kurzem ist im „Section Store“ eine neue Lieferung eingetroffen. Im Lager stapeln sich die Kartons. „Uns war es wichtig, neue Klamotten zu droppen, bevor es bei uns mit den Veranstaltungen losgeht.“

Zwischen Modemarke und Event-Agentur

BHFSVRTL versteht sich nämlich nicht nur als Modemarke, sondern auch als Event-Agentur. In den Sommermonaten werden Partys veranstaltet – zum Beispiel auf der Dachterrasse des Grand Hotels Empire im Bahnhofsviertel oder der Besucherterrasse des Flughafens. Die Termine erfährt man vorher auf Instagram. Auch für Firmenkunden – etablierte Sneakerläden oder große Konzerne wie Netflix – haben Steffen Kurtz und Berndre Becker schon Events auf die Beine gestellt. „Anders als andere Modefirmen, sind wir nicht ausschließlich vom Verkauf unserer Klamotten abhängig. Die Events sind ein wichtiger Teil unserer Arbeit.“

Foto: Neven Allgeier

Auf den Partys werden oft Hip-Hop-DJs gebucht, aber nicht nur. Überhaupt hatte das Label BHFSVRTL von Anfang an eine gewisse Verbindung zur Hip-Hop-Szene. Namhafte Rap-Größen haben sich schon in von Kurtz designten Klamotten gezeigt. Travis Scott trug bereits 2015 ein T-Shirt, auf dem groß die Aufschrift BHFSVRTL prangte, bei einem Konzert in Düsseldorf. Über einen Konzertveranstalter, mit dem Kurtz befreundet ist, hatte das Teil seinen Weg zu dem damals enorm angesagten Musiker gefunden. Von dem Auftritt gab es Bilder, die sich im Netz verbreiteten. „Das hat unserer noch jungen Marke einen richtigen Boost gegeben.“ Ein weiteres Beispiel: In einer Folge der Amazon-Serie „Die Discounter“ haben die Frankfurter Rapper Celo und Abdi einen Cameo-Auftritt. In der Szene trägt Celo einen Hoodie von BHFSVRTL, der in Kooperation mit dem Fußballverein Eintracht Frankfurt entstanden ist. „Das hat mich natürlich sehr gefreut.“

Als reine Hip-Hop-Brands möchte Kurtz seine beiden Labels aber nicht verstanden wissen. Diese Schublade ist ihm entschieden zu eng. „Eines lässt sich aber nicht bestreiten: Hip-Hop hat die Streetwear dauerhaft geprägt. Heutzutage trägt fast jeder Basecaps oder Sneaker. Das ist ganz klar ein Einfluss von Hip-Hop. Keine andere Jugendkultur legt so viel Wert darauf, immer wieder einen neuen Style zu kreieren.“

Steffen Kurtz, Foto: Neven Allgeier

Heut­zu­tage trägt fast jeder Base­caps oder Snea­ker. Das ist ganz klar ein Einfluss von Hip-Hop. Keine andere Jugend­kul­tur legt so viel Wert darauf, immer wieder einen neuen Style zu kreieren.

Steffen Kurtz

Section Store by BHVSVRTL

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