Ubin Eoh arbeitet als Journalistin, Podcasterin und Dozentin für kreatives Schreiben. Ihre Texte vereinen scheinbar mühelos Leichtigkeit mit Tiefgang, Coolness und Humor. Vor kurzem ist sie zum ersten Mal Mutter geworden. Ein Besuch in der Babypause.
„Direkt nach der Geburt ist der Kopf hormonell bedingt nicht fähig zu arbeiten. Du fühlst dich wie in einer Wattewolke eingehüllt“, sagt Ubin Eoh. Wir sitzen in der Wohnküche einer stilvollen Altbauwohnung im Gutleutviertel. Eoh ist vor wenigen Wochen zum ersten Mal Mutter geworden und befindet sich gerade in einer Babypause, die aber bald enden soll. Auch ihre kleine Tochter macht gerade Pause: Sie steckt in einem Strampelanzug mit Keith-Haring-Motiv und schläft ganz nah am Körper ihrer Mutter in einer Trage. Vor der Balkontür verschluckt der Nebel die Stadt. Drinnen ist es dafür umso gemütlicher. Kunst an den Wänden, Kochbücher im Regal, das Licht ist angenehm schummrig.
In der Mitte des Raums steht der riesige Tisch eines Frankfurter Möbeldesigners. „Der Tisch ist mein Lebensmittelpunkt und Arbeitsort“, sagt Eoh. „Wenn ich schreibe, muss ich dabei etwas schmecken. Alle Sinne müssen angeregt sein.“ Deshalb stehen auch immer Schalen voller Süßigkeiten griffbereit. Und ein großer, bunter Blumenstrauß auf der Tischplatte ist als Hingucker ebenfalls Pflicht. Vor uns dampft der Kaffee. „Nein, das ist nicht der Kaffee aus dem Artikel“, beantwortet Eoh unsere Frage. Über ihr Faible für zuckersüßen, koreanischen Instant-Kaffee hat sie für das Magazin der FAZ einmal einen sehr persönlichen Text geschrieben. „Den solltet ihr aber probieren. Ich gebe euch nachher ein paar Tütchen mit.“
„Wer schreibt, muss sich festlegen“
Eoh ist freie Autorin und Dozentin für kreatives Schreiben an der Offenbacher Hochschule für Gestaltung. Regelmäßig schreibt sie für verschiedene Medien, etwa für das Magazin der FAZ und das Zeit-Magazin. Mit Tiefgang, Humor und frei von jeglicher Oberflächlichkeit widmet sie sich besonders gerne vermeintlich leichten Themen wie Ästhetik und Genuss.
„Ein Text ist gut, wenn er sinnlich ist und detaillierte Beschreibungen enthält, so dass man sich als Leser*in hineinbeamen kann“, sagt Eoh. Ebenfalls für Die Zeit moderiert sie an der Seite von Christoph Amend den Podcast „Und was machst du am Wochenende?“ Jeden Donnerstag geht eine neue Folge online, in der die beiden mit prominenten Gästen über ihre Freizeitgestaltung sprechen. Einmal pro Woche pendelt Eoh nach Berlin, wo die nächste Ausgabe in einem Studio aufgezeichnet wird, das den gemütlichen Charme einer Altbauwohnung hat. Der Sänger Kim Frank, die Schauspielerin Annette Frier und der Comedian Oliver Polak waren dort zum Beispiel schon zu Besuch.
„Ich hatte immer großen Respekt vor dem Schreiben und habe mich erst gar nicht richtig herangetraut“, bekennt Eoh. „Wenn etwas schwarz auf weiß auf Papier steht, dann hat das etwas sehr Endgültiges. Wer schreibt, muss sich festlegen. Das ist mir am Anfang schwergefallen.“ Eoh ist in Kreuzberg aufgewachsen. An der Berliner Universität der Künste studierte sie Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation. „Das war ein Mix aus den unterschiedlichsten Fächern: verbale und visuelle Kommunikation, aber auch wirtschaftliche Grundlagen und Marketing wurden unterrichtet. Diese Vielfalt kam mir zugute, weil ich damals noch ziemlich orientierungslos war.“
Wenn ich schreibe, muss ich dabei etwas schmecken. Alle Sinne müssen angeregt sein.
Nach ihrem Abschluss arbeitete Eoh für die Berliner Kommunikationsagentur Bureau N und betreute Projekte, die sich an der Schnittstelle von Gastronomie, Architektur und Kunst bewegten. Bei einem Auftrag für das jüdische Restaurant Maxie Eisen im Frankfurter Bahnhofsviertel, lernte sie James Ardinast kennen – einen der beiden Betreiber. Eoh und er wurden ein Paar. Nach drei Jahren Fernbeziehung zog Eoh nach Frankfurt. „Ich hatte richtig Bock auf die Stadt und habe hier auch immer mehr Leute kennengelernt. Trotzdem habe ich mein Zimmer in Kreuzberg noch einige Jahre behalten und es hat eine Weile gedauert, bis ich zu hundert Prozent in Frankfurt angekommen bin.“
Vom Newsletter zu den großen Zeitungen und Magazinen
Zu ihrem neuen Job bei der Designer-Hotelmarke Lindenberg, den sie in Frankfurt antrat, gehörte es, einen regelmäßigen Newsletter zu verfassen. „Dafür bekam ich viel Lob“, erinnert sie sich. „Gäste kamen und fragten, wer denn für den tollen Newsletter verantwortlich ist. Das hat mich darin bestärkt, mich mehr als zuvor dem Schreiben zu widmen.“ Auf Facebook teilte sie kurze Texte, in denen sie sich auf humorvolle Weise mit antiasiatischem Alltagsrassismus beschäftigte, der ihr zuweilen begegnete. „Der Humor war meine Art, damit umzugehen.“ Irgendwann wurde Alfons Kaiser, verantwortlicher Redakteur des FAZ-Magazins, auf Eohs Texte aufmerksam und fragte, ob sie die nicht bei ihm in der Zeitung veröffentlichen wolle. Eoh wollte. „Das war mein Einstieg in den Journalismus.“
Weitere Aufträge folgten. Für die „Stil“-Rubrik im Zeit-Magazin schrieb sie ein Porträt über eine Familie, die in einer kreativ eingerichteten Wohnung in Seoul lebt. „In Seoul habe ich als Kind viele Sommer verbracht, weil die Familie meines Vaters dort herkommt“, erzählt sie. Hin und wieder fliegt sie auch heute noch nach Südkorea – und schreibt darüber. Auf dem Tisch, an dem wir sitzen, liegt ein 1000-Won-Schein von ihrer letzten Reise. Auf dem Sofa liegt die neueste Ausgabe des Magazins The Weekender. Darin hat Eoh über einen ihrer Lieblingsorte geschrieben: Die Klippen im Naturpark Teajongdae, im Süden der Stadt Busan, Heimat der Familie ihrer Mutter.
Zwei, drei Mal pro Woche arbeitet Eoh im Büro der Lindenberg-Gruppe und kümmert sich dort um Dinge wie Markenkommunikation und Corperate-Design. Klassische PR macht sie heute nicht mehr. „Ich finde, dass lässt sich mit Journalismus schlecht vereinbaren.“ Ihre Skills gibt sie inzwischen an der HfG Offenbach in einem Kurs mit dem unkonventionellen Titel „Punchlines & Textflow“ weiter. „Meinen Student*innen rate ich, erst einmal alles zu vergessen, was sie im Deutschunterricht gelernt haben“, erzählt sie. „Sie sollen den Mut haben, ihren eigenen Stil zu entwickeln, ihre eigenen Wörter zu gebrauchen und die Angst vor dem weißen Blatt verlieren. Am besten geht das mit einer Übung, die ich ‚Ranting Pages‘ nenne: Du nimmst ein leeres Blatt Papier und schreibst über ein Thema, das dich nervt und aggressiv macht. Was du brauchst, sind starke Emotionen. Das treibt die Tinte aus dem Füller.“
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