Randlage war gestern: Mit einer Pop-Up-Galerie ist die Frankfurter Kuratorin und Künstlerin Setareh Alipour nun mitten im Herzen der Stadt angekommen. Seit ihrer Jugend organisiert sie Ausstellungen an spannenden Off-Spaces.
Setareh Alipour empfängt uns an einem Freitagabend in der Pop-Up-Galerie „Umweg“, die sich seit August 2020 zwischen einem Schirmladen und einem Juwelier befindet – nur wenige Schritte von der Hauptwache entfernt. Von der Katharinenkirche direkt gegenüber dringt Glockengeläut herüber. Alipour trägt eine Kette um den Hals, an der ein Fünfcentstück hängt. Die Münze wurde mit einer Presse bearbeitet, die einst zum Inventar des Raums gehörte. Früher war hier eine Goldschmiedewerkstatt untergebracht. Davon zeugen auch die vielen leeren Schmuckvitrinen im Keller. Im Erdgeschoss wurden sie inzwischen entfernt, um mehr Platz für Installationen zu schaffen.
Mitten im Raum steht eine Kreissäge, auf Tischen liegen geöffnete Werkzeugkoffer, an einer frisch eingezogenen Sperrholzwand lehnt ein Sack voller Spachtelmasse. Um uns herum wird gerade die Ausstellung „Bread Dispensers“ des Offenbacher Künstlerkollektivs YRD.works aufgebaut, die am 25. März eröffnet werden soll. Zehn Tage lang backen die drei Künstler vor Ort aus Sauerteig Brot, das von einer Maschine über einen schrägen Schacht in ein Ausgabefach geschubst wird. Der Clou: Von den Vorgängen im Inneren der zur Backstube umfunktionierten Galerie bekommen die Besucher dank der Trennwand nichts mit. Für sie bleibt das Auftauchen des Brotes ein Rätsel. Wie eine Himmelsgabe liegt es im Fach und kann – kostenlos – mitgenommen werden.
Alipour ist Kuratorin und Künstlerin. Mit dem Kuratieren von Ausstellungen begann sie schon früh. „Mit 17 habe ich mein Abitur abgebrochen, weil ich so schlecht in Mathe war. Auch in anderen Fächern habe ich oft verträumt aus dem Fenster geguckt. Nur in Kunst, da konnte ich mich konzentrieren“, erzählt sie. Über dessen Tochter lernte sie den Frankfurter Kreativen Hannibal Tarkan Daldaban kennen. „Hannibal ist ein Freund und ein Mentor. Ich wusste, dass er extrem gut vernetzt ist und habe zu ihm gesagt: Ich bin gut in Kunst und kann gut texten. Das sind meine Skills und meine Interessen. Hast du vielleicht einen Job für mich?“ Es war der Auftakt einer engen Zusammenarbeit.
Nur in Kunst, da konnte ich mich konzentrieren.
Daldaban ist der Initiator von „PUNKT“ – einem Projekt, das unterschiedliche Orte mit Kunst und Kultur bespielt. Los ging es 2013 in den Räumen des Club Monza. Alipour war von Anfang an mit dabei. Auch die Galerie „Umweg“ wird von „PUNKT“ realisiert. Anders als in klassischen Galerien gibt es hier keine Kunst zu kaufen. Alipour und Daldaban vertreten konsequent ein integratives Verständnis von Kultur. Sie wollen wirklich jedem Zugang zur Kunst ermöglichen. Die Galerie wird von der gemeinnützigen Stiftung „Franziskustreff“ mit Fördergeldern unterstützt. Daldaban ist dort Kulturbeauftragter.
Sie wollen wirklich jedem Zugang zur Kunst ermöglichen
Zwischenzeitlich wohnte Alipour vier Jahre lang in Berlin. Zusammen mit ihrem damaligen Freund leitete sie in Schöneberg eine Galerie. „Wir waren darauf spezialisiert, Kunst aus der klassischen Moderne zu verkaufen und mit den Einnahmen junge Künstler*innen zu fördern“, erzählt sie. Immer wieder hatte sie auch Jobs in der Gastronomie und Eventbranche. In Frankurt arbeitete sie zum Beispiel im Restaurant „Margarete“ – erst im Service, später als Vertriebsassistentin. „Auf die Dauer war mir das aber zu viel Business. Mir hat der Bezug zur Kunst gefehlt.“
Neue Herausforderungen ließen nicht lange auf sich warten. Als „PUNKT“ 2018 ein riesiges Areal an der Hanauer Landstraße bespielte, war Alipour zur Stelle. „Ost-Stern“ nannte sich die Pop-Up-Location auf dem Gelände der ehemaligen Mercedes-Benz-Niederlassung. „Das waren 18.000 Quadratmeter reiner Wahnsinn. Ich habe mich fast ganz alleine um die Verwaltung und das Projektmanagement gekümmert. Das kann man einer 21-jährigen eigentlich nicht zumuten. Das wäre eher ein Job für einen 40-jährigen Typen gewesen“, sagt Alipour und lacht – woraus man schließen kann, dass ihr das Projekt trotz all der Strapatzen viel Spaß gemacht hat. „Danach habe ich erst einmal ein Jahr Pause gebraucht.“
Schon früh war Alipour von der Malerei begeistert
Seit 2019 studiert sie an der Offenbacher Hochschule für Gestaltung. „Zeichnen ist mein Medium“, sagt Alipour. Von Malerei war sie schon früh fasziniert. „Meine Mutter hat mich als Kind manchmal bei einem Nachbarn abgesetzt, einem polnischen Kriegsveteranen. Er hatte einen Pudel, der immer eine Windel trug. Der Mann hat gemalt: klassische Gemälde im Barockstil. Zusammen mit dem Hund habe ich bei ihm in der Wohnung gesessen und ihm dabei zugeguckt.“
Gemeinsam mit drei befreundeten Künstler*innen hat sich Alipour in einer Offenbacher Garage ein Atelier eingerichtet. Sie zückt ihr Handy, um uns einige ihrer neuesten Arbeiten zu zeigen. Auf einem Bild sieht man den Ausschnitt einer meterlangen Papierrolle, auf die mit Edding Figuren gezeichnet wurden. Ein anderes Foto zeigt das Modell einer dreiteiligen Paravents, dessen Rahmen aus Fichtenholz mit Transparentpapier bespannt ist. Aus mehreren dieser Paravents soll später einmal ein begehbares Labyrinth entstehen. Um zwischen den beiden Aspekten ihrer Arbeit (eigene Kunst machen und Ausstellungen organisieren) klar zu unterscheiden, hat Alipour von kurzem das Label „Curated by Crows“ gegründet, unter dem sie als Kuratorin in Erscheinung tritt. Den Namen erklärt sie so: „Manchmal haben Kurator*innen bei Künstler*innen völlig zu Unrecht einen eher schlechten Ruf – genau wie Krähen im Tierreich. Dabei sind Krähen top organisiert. Die haben es einfach drauf.“
Manchmal haben Kurator*innen bei Künstler*innen völlig zu Unrecht einen eher schlechten Ruf – genau wie Krähen im Tierreich.
Bread Dispensers
25. März – 4. April 2021, täglich 16-20 Uhr Galerie „Umweg“, Frankfurt Innenstadt, Katharinenpforte 6