NEUER ZUGANG ZU MIRÓ
Sie kennen Joan Miró als einen der größten Künstler des 20. Jahrhunderts, sie kennen Mirós fantastische Bildwelten und kräftigen Farben? Aber kennen Sie auch seine großen Formate? Seine Faszination für Wände und Mauern? Seine Experimente mit ungewöhnlichen Materialien? In der Ausstellung WANDBILDER, WELTENBILDER können Sie diese bislang kaum bekannte Seite von Miró entdecken – in 50 zum Teil monumentalen Werken aus bedeutenden Museen und privaten Sammlungen weltweit.
Ich will die Malerei ermorden.
Joan Miró
Ein Mörder und sein Motiv
Schon früh reift in Joan Miró der Wunsch, der konventionellen Malerei ein Ende zu setzen. 1927 verkündet der stets tadellos gekleidete junge Mann öffentlich: „Ich will die Malerei ermorden.“ Ein Aufschrei geht durch die Öffentlichkeit, noch bevor das Motiv klar ist.
Die ganze Welt in einem einzigen Bild
Anders als seinen surrealistischen Weggefährten fällt es Miró leicht, auf das Leben in der pulsierenden Metropole Paris zu verzichten.
Der Zauber des Ursprünglichen
Eine poetische Vision
Kopfüber in die Welt der Zeichen
Schon in den 1920er-Jahren entwickelt Miró seine eigene Bild- und Zeichensprache. Was sich in „Der Bauernhof“ bereits angekündigt hatte, führt er wenige Jahre später radikal weiter.
Miró wechselt ab 1926 vermehrt seinen Aufenthaltsort, lebt in Paris, Mont-roig und Barcelona. Kulturelle und innenpolitische Verwerfungen sowie regionale Autonomiebestrebungen prägen die spanische Gesellschaft zu dieser Zeit. Mit dem Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs 1936 zieht sich Miró zunächst nach Mont-roig zurück, wo er seine Arbeiten auf Masonit-Holzfaserplatten beginnt, dann geht er wieder nach Paris.
Neue alte Bildwelten
Eine laue Sommernacht
Zeitlose Symbole des Land-lebens
Mit wenigen Strichen skizziert Miró einen katalanischen Bauern in einer typischen Tracht.
Thematisch bleibt Miró seinen ländlichen Wurzeln treu. Immer wiederkehrende Symbole für Pflanzen, menschliche und tierische Figuren oder Gestirne sind universell und zeitlos. Sie bilden den Kern einer Zeichensprache, die menschliche Urerfahrungen thematisiert und in ihrer Einfachheit bereits in Höhlenmalereien anklingt.
Ein Maler zeigt Flagge
Das Gemälde „Spanische Flagge“ (1925) bringt Mirós Nationalbewusstsein zum Ausdruck.
Zwischen Himmel und Erde
Die Welt der Vorstellung
Ich habe mich in mich selbst zurückgezogen und je skeptischer ich gegen meine Umgebung wurde, desto näher kam ich allem, wo Geister wohnen: den Bäumen, den Bergen, der Freundschaft.
Joan Miró
Die Bedeutung der Farben
Radikale Reduzierung
Ein weißer Bildgrund. Zwei große Farbflecken in Gelb und Rot. Ein kleiner schwarzer Fleck. Und nichts weiter?
Grenzenloses Blau
Eine alte Redewendung der Mallorquiner scheint im Gemälde mit dem schlichten Titel „Malerei“ umgesetzt zu sein: „Es war und war nicht.“ Aber ist hier überhaupt etwas? Miró hat die ganze Bildfläche einfach blau eingefärbt! Nicht einheitlich, sondern mit deutlich erkennbaren Pinselstrichen.
Bei einer großen blauen Fläche denkt man unweigerlich auch an den Himmel. Er weist bei genauerem Hinsehen allerdings einen kleinen Fehler auf: In der linken oberen Ecke befindet sich ein kleiner Punkt. Eine gewollte Irritation! Miró denkt mit diesem Punkt über die traditionelle Malerei hinaus, indem er die Zerstörung des Malgrundes als Gestaltungselement der Bildfläche andeutet. Ein Loch würde den flachen Bildträger in die dritte Dimension erweitern. Dieses kleine Detail scheint gleichsam die Arbeiten des Künstlers Lucio Fontana vorzubereiten, der mit tatsächlicher, gezielter Zerstörung des Bildträgers Mitte des 20. Jahrhunderts den Raumbegriff in der Malerei revolutionierte. Die Reduzierung der Farben findet ihr Echo in den Werken von Yves Klein oder Mark Rothko.
Sieht man noch genauer hin, erkennt man eine horizontale Veränderung der Bildfläche im oberen Drittel. Fast so, als hätte die Leinwand hier einen Riss gehabt, den man durch Verputzen kitten wollte, wie man es bei einer Hauswand täte. Auch hier verweisen Mirós Werke auf die Wand als Inspirationsquelle.
Monumentale Formate
Blaue Bildgründe [verkörpern] reine Malerei, die einem Gefühl der Einsamkeit und Verzweiflung entspringt, das mich unablässig verfolgt.
Joan Miró
Miró setzt jenes Blau, das ihn seit der Kindheit begleitet, als strukturierten Hintergrund monumental ein. Darauf platziert er vereinzelte Punkte und lineare Elemente in Rot und Schwarz.
Wand oder Raum?
Miró malt große Bilderformate häufig als Triptychen. Der Künstler stellt sie damit in eine christliche Tradition und unterstreicht ihre Monumentalität. Durch die große Fläche, die sie auf der Wand bedecken, lassen sie für den Betrachter den real existierenden Raum in den Hintergrund treten und eröffnen ihm einen neuen, imaginären.
Rund um das Wandbild
Die Malerei befindet sich seit dem Höhlenzeitalter im Zustand der Dekadenz.
Joan Miró
Die Wand als Vorbild
Die Wand gehört zu den ältesten überlieferten Bildträgern. Lange bevor Menschen die erste Buchstabenschrift entwickelten, gestalteten sie die Wände ihrer Höhlen mit Malereien, Zeichen und Linien.
Es ist das Material, das entscheidet […]. Es ist das Material, das alles bestimmt.
Joan Miró
Experimente in Keramik
In den Jahren 1955–1959 widmet sich Miró ganz der Keramik und erschafft bemerkenswerte Wandbilder aus Kacheln. Die „Mondwand“ und die fast 15 Meter lange „Sonnenwand“ für den Sitz der UNESCO in Paris bilden nur den Auftakt für eine Vielzahl an großformatigen Wandarbeiten im öffentlichen Raum.
„Der Junge wird es zu etwas bringen“
Joan Miró ruhte sich nie auf seinen Lorbeeren aus. Das zeigt ein Zitat des 85-jährigen, weltweit erfolgreichen Künstlers, in dem er sich selbstironisch als „Junge“ bezeichnete. In allen Phasen seines Lebens schuf Miró Meisterwerke, weil er neue Ausdrucksmittel mit der Spielfreude eines Kindes aufnahm. Begeben Sie sich in der Ausstellung der SCHIRN auf eine Entdeckungsreise, die Ihnen über die großen Formate und Wandbilder einen neuen Zugang zu Mirós Kunst ermöglicht – jenseits der berühmten, leuchtend bunten Gemälde, für die ihn alle Welt bewundert.
Geheimtipp
Was man nur am Original sieht:
FASZINATION MATERIAL
Viele Details von Mirós Umgang mit Oberflächen lassen sich durch digitale Reproduktionen am Bildschirm nicht wiedergeben. Daher lohnt es sich, das Material in der Ausstellung der SCHIRN am originalen Werk zu betrachten. Das trifft besonders auf den 1929 entstandenen „Kopf Georges Auric“ zu.
Die Arbeit fällt in die Phase der späten 1920er- und frühen 1930er-Jahre, in denen Miró mit ungewöhnlichen Materialien experimentiert, um die konventionelle Malerei zu überwinden. Mit seinen keramischen Wandbildern will er die Kunst später auch noch von den Grenzen der Staffelei befreien. Miró kreiert eine Dreidimensionalität des traditionell zweidimensionalen Gemäldes.