Bagger-Ballett, bengalische Feuer und Baustellen: Cyprien Gaillard bespielt den Schinkel Pavillon, einen kleinen aber feinen Ausstellungsraum in Berlin.

Wenn Cyprien Gaillard zur Ausstellung lädt, kann man sich einer Sache sicher sein: Der französische Künstler, Wahlberliner und Meister der Inszenierung lockt nicht nur die Menschenmassen, sondern ist ebenso ein Garant für kreative Spektakel. Seinem Ruf gerecht geworden ist Gaillard auch am vergangenen Donnerstag, als er mit einer Baustellen-Performance zur Eröffnung von „What it Does to Your City“ in den Berliner Schinkel Pavillon eines der Highlights der ersten Berlin Art Week schuf. Statt die Erde unter ihnen aufzureißen und damit in der geschichtsträchtigen Umgebung des Schlossplatzes ein weiteres Stück Geschichte umzuwälzen, boten die Bagger in der etwa 20-minütigen Performance ein musikalisches und choreographisches Schauspiel, das von Skulpturen im den Räumen des Pavillons ergänzt wird.

Wie zwei Tänzer bewegten sich die ihrer Natur nach eigentlich ungelenken Maschinen zu der Musik im rot-violetten Licht des urbanen Spektakels. Ist die direkte Arbeit mit der Natur und dem Stadtraum auch die Grundlage anderer Strömungen wie der Land Art, kehrt Gaillard jedoch ihre Prinzipien um: Im Gegensatz zu deren amerikanischen Variante, die bewusst in den Außenraum eingreift, Landschaften irreversibel verändert und Neues schafft, steht im Zentrum des Werkes von Cyprien Gaillard vielmehr der kritische Blick auf den Umgang mit der eigenen Umwelt: Zerstörung und Erneuerung, Vergangenheit und Gegenwart – seine Arbeiten erkunden immer wieder diese beiden Gegenpole und arbeiten in deren Spannungsfeld. Sei es mit dem im Irak mit einem iPhone aufgenommenen Film „Artefacts“, für den er im letzten Jahr den Preis der Nationalgalerie erhielt oder seine zwar kleinformatigeren, aber nicht minder eindringlichen Polaroids, die parallel dazu bei Sprueth Magers auf der Frieze Art Fair in London zu sehen waren, seine Bilder agieren dokumentarisch und ästhetisch zugleich.

Geschichte wird freigelegt

Für die Berliner Ausstellung „What it Does to Your City“ wendet sich Gaillard aktuell der titelbestimmenden Stadt zu und stellt dabei die Frage, was „es“ mit ihr macht – ohne dabei wirklich eine fragende Stellung einzunehmen, verzichtet der Künstler doch bewusst auf jenes universale Satzzeichen. Die zehn Skulpturen, die Ausgangspunkt der Performance und Zentrum der Soloshow im Schinkel Pavillon sind, könnten kaum sinnbildlicher für die steten Veränderungen von urbanen Räumen sein: Schwere Glashauben und hohe, weiße Sockel füllen den Raum und assoziieren die archäologischen Sammlungen von Naturkundemuseen. In ihrem Inneren verbergen sich jedoch keine Reliquien der Vergangenheit, sondern die Zähne von Schaufelbaggern, die in der Gegenwart zum Inbegriff der Veränderung werden.

Einerseits so als wortspielerische „Excavators“ (engl. für Bagger, aber auch Ausgrabende) für die Maschinen stehend, durch welche Geschichte freigelegt, aber auch zerstört und überschrieben wird, werden die Zähne mittels ihrer Isolation und Präsentation in den maßgefertigten Vitrinen selbst zu Kunstwerken. Ihr praktischer Nutzen als kleinstes funktionales Teil der Baumaschinen ist in den Hintergrund gerückt; vielmehr sind aus ihnen im Schinkel Pavillon Artefakte und Skulpturen zugleich geworden.

Maschinentäter

Wie auch in seinen früheren Arbeiten ist es Cyprien Gaillard in „What it Does to Your City“ auf unkonventionelle Weise gelungen, ein eindeutiges Dokument politischer, kultureller und sozialer Auflösungsprozesse – eine „Archäologie der Gegenwart“ – zu erschaffen. In deren Zentrum steht die Hinterfragung der archäologischen Praxis bzw. deren Missachtung, die Vorgängerarbeiten wie „Artefacts“ auf eindringliche Weise offenlegten. Während dort die Suche nach Artefakten, Monumenten und Architekturen, die verloren gegangen sind oder ihre ursprünglichen Bedeutungen in der Gegenwart unlängst verloren haben, zu den bereits geplünderten und zerstörten Stätten führten, sind es hier die „Täter“, die ausführenden Maschinen, die sich hinter jenen Eingriffen verbergen. Und doch werden sie von Cyprien Gaillard nicht darauf reduziert, sondern in all ihren Alterungsformen anhand der Präsentationsweisen mit den Relikten selbst gleichgestellt.