Wie geht Frieden eigentlich? Eine Auswahl wichtiger Friedensschlüsse der Geschichte und ihre unumgänglichen Brüche auf dem SCHIRN MAGAZIN.
Gab es eine Zeit des absoluten Friedens? Allumfassender Frieden auf der ganzen Welt? Vielleicht in Zeiten, von denen wir nichts wissen. Von dieser Mutmaßung einmal abgesehen, wahrscheinlich nicht. Und dafür braucht es keine umfangreiche Recherche. Krieg, ob im Großen oder Kleinen, scheint im Menschen zu stecken. Nicht in allen, versteht sich. Aber einige wenige Köpfe reichen bekanntermaßen aus, um Millionen ins Unglück zu stürzen.
Da man also die Zeit des „absoluten Friedens“ nicht und wohl niemals betrachten können wird, dann doch wenigsten einen Blick auf historisch bedeutende Friedensschlüsse werfen. Bei den unzähligen Kriegen, die sich in der Menschheitsgeschichte ereignet haben, gibt es immerhin auch einige Friedensabkommen. Wir werfen explizit einen Blick auf jene Momente, in denen Frieden ausgehandelt und vertraglich abgeschlossen wurde. Kapitulationen (etwa die bedingungslose Kapitulation Deutschlands 1945), Waffenstillstandsabkommen (1973 zwischen den USA und Nordvietnam, siehe zum Thema Vietnamkrieg auch den Artikel „Ein dunkles Kapitel“) und Abkommen zur Verhinderung von Krieg (dazu zählen die Charta der Vereinten Nationen oder die Satzung des Völkerbundes im Rahmen des Vertrags von Versailles) werden hier nicht einbezogen.
Gibt es wichtige und weniger wichtige Friedensabkommen? Am Ende zählt, dass Frieden ausgehandelt wurde. Es gibt allerdings einige, die besonders weitreichende Folgen hatten und jene, die am Ende leider doch nicht gehalten haben was sie versprachen.
ÄGYPTISCH-HETHITISCHER FRIEDENSVERTRAG
etwa 1259 v. Chr.
Der älteste bekannte Friedensschluss wurde etwa 1259 v. Chr. zwischen Pharao Ramses II. und König Ḫattušili III. abgeschlossen. Im 14. und 13. Jahrhundert vor Christus befand sich Ägypten in einer wirtschaftlichen und kulturellen Blütezeit, sein Einflussgebiet reichte bis nach Vorderasien. Aber auch die Hethiter, deren Reich in weiten Teilen der heutigen Türkei entsprach, weiteten ihr Reich aus mit dem Ziel, die ägyptische Vormachtstellung in der Region zu schwächen. Im heutigen Libanon stießen die Grenzen beider Reiche aufeinander und Grenzstreitigkeiten waren vorprogrammiert. 1274 v. Chr. resultierte dies in der Schlacht von Kadesch, eine der am besten dokumentierten Schlachten der Antike. Dennoch ging keine der beiden Parteien als Sieger hervor. Es vergingen fünfzehn Jahre bis sich die Hethiter durch eine dritte Partei, die Assyrer bedroht sahen, sodass König Ḫattušili III. Ramses II. einen Friedensschluss und Bündnispakt anbot. Die schriftlichen Zeugnisse dieses Vertrags sind bis heute erhalten.
„EWIGER FRIEDEN“ ZWISCHEN OSTROM UND DEN SASSANIDEN
532 n. Chr.
Der „Ewige Frieden“ wurde 532 n. Chr. zwischen dem oströmischen Kaiser Justinian und dem persischen Großkönig Chosrau I. abgeschlossen. Über Jahrhunderte stellten das Römische bzw. Oströmische Reich und das Neupersische Sassanidenreich die zwei vorherrschenden Mächte im Mittelmeerraum dar. Dem Friedensvertrag war 506 bereits ein auf sieben Jahre ausgehandelter (und überraschenderweise 20 Jahre anhaltender) Waffenstillstand vorausgegangen. Doch gegen Ende der Herrschaft des oströmischen Kaisers Justin I. kochte der Konflikt erneut hoch und wurde in zwei großen Schlachten ausgetragen, aus denen beide Reiche jeweils einmal siegreich hervorgingen. Mit dem anschließenden Beginn der Herrschaft des römischen Kaisers Justinian richtete dieser Friedensangebote an die Perser, die allerdings erst unter dem Perser Chosrau I. zu einem vertraglichen Abschluss kamen. Justinian hatte gehofft, für beide Parteien eine dauerhafte Einigung zu erzielen, doch das sollte nicht in Erfüllung gehen. Er hatte so sehr auf den Friedensvertrag vertraut, dass er in den folgenden Jahren die Verteidigung der römischen Ostprovinzen vernachlässigte. Chosrau I. nutzte dies 540 aus und fiel im römischen Syrien ein. Es folgte ein blutiger Krieg, der Frieden war vergessen.
NÜRNBERGER RELIGIONSFRIEDEN
1532 n. Chr.
Im Nürnberger Religionsfrieden (oder Nürnberger Anstand) vom 23. Juli 1532 vereinbarten Kaiser Karl V. und die Protestanten erstmals eine gegenseitige Rechts- und Friedensgarantie. Dies bedeutete das Ende der Verfolgung von Protestanten und damit auch eine ungehinderte Ausdehnung der Reformation. Die Gründe für den Abschluss waren rein strategische. Kaiser Karl brauchte im Heiligen Römischen Reich freie Hand zur Abwendung der Türken, die Ungarn besetzt hatten. Die protestantischen Fürsten hingegen, die im Schmalkaldischen Bund zusammengeschlossen waren, wollten ihre politischen und wirtschaftlichen Interessen sichern und ihre Machtbasis durch ein Landeskirchenregiment ausweiten, bei dem ihnen als Territorialherrscher auch die kirchliche Leitungsgewalt zugefallen ist. Sieben Jahre nach dem Nürnberger Anstand wurde mit dem Frankfurter Anstand das Verhältnis zwischen Protestanten und Katholiken im Reich erneut abgesichert.
PRAGER FRIEDEN
1866 n. Chr.
Der Prager Frieden von 1866 (es gab auch einen im Jahr 1635) beendete den Deutschen Krieg. Dieser wurde ausgetragen zwischen Preußen und seinen Verbündeten auf der einen Seite und Österreich, stellvertretend für den Deutschen Bund, auf der anderen Seite. Preußen ging aus diesem Krieg als Sieger hervor, der Deutsche Bund wurde aufgelöst und es wurde nach einem Ersatz unter Ausschluss Österreichs gesucht. Es bildete sich in der Folge der Norddeutsche Bund unter preußischer Führung heraus, eine Vorstufe des Deutschen Reichs, das 1871 gegründet werden sollte. Die im Krieg besiegten süddeutschen Staaten Württemberg, Baden und Bayern schlossen mit Preußen Frieden und gingen (zunächst geheime) Schutz- und Trutz-Bündnisse ein.
VERTRAG VON VERSAILLES
1919 n. Chr.
Der Vertrag von Versailles war einer von fünf Verträgen, die in der Folge der Pariser Friedenskonferenz von 1919 aufgesetzt wurden und formal den Ersten Weltkrieg beendeten. Die Verträge wurden von den Siegermächten aufgesetzt und mussten von den Vertretern der unterlegenen Staaten unterzeichnet werden. Sie enthielten auch die Satzungen des neu gegründeten Völkerbunds. Im Vertrag von Versailles wurde Deutschland die alleinige Verantwortung für den Ausbruch des Ersten Weltkrieges übertragen, es wurde zu Gebietsabtretungen, Abrüstung und Reparationszahlungen verpflichtet. Bereits von Zeitgenossen, etwa dem britischen Ökonom John Maynard Keynes, wurde der Vertrag gegenüber Deutschland als zu hart empfunden und manch ein Beobachter erkannte schon die Gefahren einer destabilisierten und isolierten deutschen Wirtschaft, die zwangsläufig zu sozialer Instabilität führen würden. Viele Historiker sehen in dem Versailler Vertrag wichtige Ursachen für den Aufstieg des Nationalsozialismus.
ISRAELISCH-ÄGYPTISCHER FRIEDENSVERTRAG
1979 n. Chr.
Der Friedensvertrag beendete den seit 1948 bestehenden Kriegszustand zwischen Israel und Ägypten. Unterzeichnet wurde der Vertrag am 26. März 1979 in Washington von Israels Ministerpräsident Menachem Begin und Ägyptens Präsident Anwar as-Sadat. In dem Vertrag wurde bestimmt, dass Israel die Sinai-Halbinsel (mit den dortigen Erdölquellen) an Ägypten zurückgebe, dass israelische Siedlungen abgebaut und die jüdische Bevölkerung „entfernt“ würde. Zur Not auch mit Gewalt. Die Straße von Tiran und der Golf von Akaba wurden als internationale Wasserwege anerkannt und die freie Durchfahrt israelischer Schiffe durch den Suezkanal gewährleistet. Ägypten war mit diesem Vertrag das erste arabische Land, das Israel als Staat offiziell anerkannte. Ein Tabubruch, den Ägypten mit dem Ausschluss aus der Arabischen Liga und der Ermordung Anwar as-Sadats 1989 durch Islamisten bezahlen musste.
DAYTON VERTRAG
1995 n. Chr.
In Dayton, Ohio, wurde 1995 nach dreieinhalb Jahren der Krieg in Bosnien und Herzegowina beendet. Der Friedensvertrag wurde am 21. November paraphiert und am 14. Dezember in Paris von dem serbischen Präsidenten Slobodan Milošević, dem kroatischen Präsident Franjo Tuđman und dem Vorsitzenden des bosnisch-herzegowinischen Präsidiums Alija Izetbegović unterzeichnet. Der Friedensvertrag war durch die USA und unter Beteiligung der Europäischen Union vermittelt worden, geleitet wurden die Friedensgespräche vom damaligen US-Präsidenten Bill Clinton. Der Krieg in Bosnien und Herzegowina war Teil einer Reihe von Kriegen, die mit dem Zerfall Jugoslawiens verbunden waren. Bis heute ist der Krieg insbesondere durch das Massaker von Srebrenica gegenwärtig, bei dem bis zu 8000 Menschen (hauptsächlich Männer und Jungen) getötet wurden – trotz der Anwesenheit von UN-Blauhelmsoldaten. Die Gründe für das Versagen der UN-Truppen sind bis heute nicht eindeutig aufgeklärt.
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