Burkhart von Scheven, Professor für Visuelle Kommunikation an der Bauhaus-Universität Weimar im Interview über das alte und das neue Peace-Logo, die Emotionalität von Symbolen und Tendenzen im Design.
Die SCHIRN fordert ein neues Peace-Logo. Im Rahmen der Ausstellung Peace, die vom 30. Juni bis 24. September in der SCHIRN zu sehen sein wird, soll es auch Zeit für ein neues Symbol sein, „ein Logo unserer Zeit, das unsere Vorstellung von Frieden heute abbildet“, so Direktor Dr. Philipp Demandt. Die Ausstellung beschäftigt sich nicht – wie so oft – mit der Friedens- und Hippiebewegung, sondern fragt ganz konkret: wie geht Frieden eigentlich?
Aber wie geht eigentlich so ein Logo? Was muss man beachten, wenn man ein neues Logo entwirft und kann man ein Symbol so gestalten, dass es internationale Allgemeingültigkeit erlangt? Diese Fragen hat das SCHIRN MAGAZIN Burkhart von Scheven gestellt, Professor für Visuelle Kommunikation und Bild-Text-Konzeption an der Bauhaus-Universität Weimar. Neben seiner Professur ist von Scheven Geschäftsführer seiner Agentur Aufbruch-Scheven-Kroke in Düsseldorf. Sechs Jahre lang war er Kreativchef bei Saatchi & Saatchi Deutschland und davor sieben Jahre bei Jung von Matt. Burkhart von Scheven hat einige hundert nationale und internationale Preise erhalten, darunter sieben Cannes-Löwen. Er ist ADC-Mitglied und -Juror und wurde 2011 in die Cannes-Jury berufen.
Schirn Magazin: Was halten sie von dem vermutlich bekanntesten Peace-Symbol, dem CND-Logo?
Prof. Burkhart von Scheven: Es ist stark, wiedererkennbar und funktioniert international und interkulturell. Es mangelt ihm etwas an Emotionalität. Der Regenbogen oder die weiße Taube wecken stärkere Emotionen, haben aber nicht diese internationale Gültigkeit.
SM: Wie schafft man es überhaupt, Logos emotional aufzuladen?
BS: Ein gutes Mittel sind emotionale Zitate oder Symbole. Beispiele sind auch hier die weiße Taube oder das zerbrochene Gewehr. Emotionalität wird eigentlich immer dann geweckt, wenn ich bildhaft werde oder Farben einsetze, die mit bestimmten Emotionen belegt sind. Es kommt aber auch immer auf den Kontext an.
SM: Gibt es Farben, die weltweit eine Allgemeingültigkeit besitzen?
BS: Kulturelle Unterschiede gibt es immer. Wobei es schon international gültig ist, dass Blau- und Grünwelten eher technischen Bereichen zugeordnet sind und wärmere Farben wie Rot und Orange emotionaleren Themen. Trotzdem ist fast jede Farbe auch schon in sehr unterschiedlichen Kontexten eingesetzt und jeweils davon dominiert worden. Eine Farbe allein hat keinen eindeutigen Wert.
SM: Kommen wir zum Logo zurück. Wenn ich ein solches neu entwerfen möchte, worauf muss ich achten? In welchen Schritten gehen Sie da vor?
BS: Das Logo ist das Herz der visuellen Identität eines Unternehmens, einer Institution oder, wie hier, einer Initiative, einer Ausstellung. Und genau da muss man ansetzen. Man muss als erstes den Träger dieses Herzens von Grund auf verstehen: Was will dieses Unternehmen, diese Initiative und um welche Art von Persönlichkeit handelt es sich? Wofür steht seine Marke?
Abgesehen davon gibt es natürlich Regeln und Richtlinien. Das Logo sollte so dargestellt sein, dass es den Attributen und Werten der Marke entspricht. Es sollte zeitlos einsetzbar sein, denn man möchte und sollte es nicht ständig modifizieren. Es sollte Seriosität und hier auch Internationalität ausstrahlen, Verständlichkeit und Verwendbarkeit vereinen. Je kompakter ein Logo ist, desto universeller kann ich es anwenden. Ich frage gerne, ob ich ein Logo im Zweifel auch auf einen Kugelschreiber und ebenso auf einen laufenden Elefanten drucken kann. Es muss anwendbar sein! Ich muss mich fragen: Wie kann ich das, was ich ausdrücken möchte, so erzählen, dass es funktional als Logo tauglich ist?
SM: Was sollte man bei der Logo-Gestaltung tunlichst vermeiden?
BS: Logos sollten nicht zu filigran oder komplex sein und meiner Meinung nach auch nicht zu bunt, sondern eindeutig und wiedererkennbar in Form und Farbe. Ausnahmen bestätigen die Regel, wie etwa das Google-Logo, das nicht nur sehr bunt ist, sondern obendrein seine Gestalt immer wieder ändert. Nationalindividuelle Prägungen sollten vermieden werden. Ebenso technische Einschränkungen, dass ein Logo etwa nur mit spezifischen Darstellungsverfahren umsetzbar ist. Dass man es zum Beispiel nur drucken kann, aber nicht projizieren oder es nicht auf allen Hintergründen und Farben platziert werden kann.
SM: Das CND-Peace-Logo ist zu einem weltweit allgemeingültigen Symbol geworden. Kann man diesen internationalen Erfolg bei der Gestaltung einplanen oder ist das Zufall?
BS: Der Kontext spielt immer eine wichtige Rolle. Als der Künstler Gerald Holtom das Peace-Zeichen entwarf, war dies ein Auftrag der britischen Kampagne zur nuklearen Abrüstung (Campaign for Nuclear Disarmament, kurz CND). Es ging ganz konkret um den Kalten Krieg und die nukleare Aufrüstung. Und das Peace-Logo stand ganz deutlich für das Gegenteil, für die nukleare Abrüstung. Dieses Logo zahlte ein in ein politisches Weltklima, in dem das Thema, für das es stand gewollt war. Dieser Kontext hat das CND- Logo unheimlich stark gemacht. Wenn man das gleiche Logo zur selben Zeit für etwas anderes entworfen hätte – für eine Kaffeerösterei etwa – dann wäre der Erfolg ausgeblieben. Der Kontext ist sicher auch zeitlicher Zufall, der aber eine große Rolle spielt. Natürlich ist eine starke Gestaltung dennoch außerordentlich wichtig. Ein Logo muss eine Symbolkraft haben, hinter der sich eine Gemeinschaft versammeln kann und es gerne als Fahne vor sich her trägt.
SM: Können Logos Macht haben? Gerade im Kontext politischer Bewegungen. Oder bleiben sie stets ästhetisches Anhängsel?
BS: Logos können eine unglaubliche Macht verliehen bekommen, aber sie haben sie nicht von sich aus. Ein schlecht gestaltetes, unklares, zerfallendes Logo wird nie mächtig werden. Aber es gibt auch starke, reduzierte, klare Logos, die nie Macht haben werden, weil sie für nichts Mächtiges stehen. Wenn ich ein Logo für einen Feuerzeughersteller mache, wird es nie eine große Macht bekommen. Hingegen hat ein Logo für eine politische Bewegung grundsätzlich immer das Potenzial, mächtig zu werden.
Vor etwa 15 Jahren bin ich in den USA auf eine klassische Printanzeige in einem Magazin gestoßen: Doppelseite, roter Fond, weißer Kreis in der Mitte, darin ein schwarzes Kreuz, ein Hakenkreuz. Mir stockte der Atem! Die Bildunterschrift lautete: Never underestimate the power of a strong image. Es war eine Anzeige von und für eine amerikanische Werbeagentur. Das demonstriert, wie mächtig ein Logo werden kann. Etwa 70 Jahre nach dessen Entstehung stolpert man darüber und es haut den Betrachter um. Die Macht dieses Logos ist aber eben nur durch die damit verbundene Geschichte entstanden.
SM: Können Logos auch aus der Mode kommen?
BS: Das können sie sicher, gestalterisch auf jeden Fall. Nicht umsonst werden Logos großer Unternehmen regelmäßig einer Prüfung unterzogen und auf den neuesten Stand gebracht. Die Tendenz in den letzten Jahrzehnten war, dass man Logos immer weiter reduziert hat.
SM: Woran könnte es liegen, dass das Peace-Logo derzeit nicht präsent ist oder nicht in Mode? Es gibt ja genug politische Spannungen und somit genug Gründe, es wieder zu zeigen?
BS: Das Peace-Logo ist in der Tat nicht mehr so präsent, wie es das bis in die 80er-Jahre war. Warum, da kann man nur spekulieren. Es könnte an der immer geringer empfundenen Zusammengehörigkeit liegen. Wir sehen, wie Europa auseinander driftet und so fehlt auch die Einigkeit, sich hinter einem gemeinsamen Logo zu sammeln.
Vielleicht muss man das alte Logo auch einfach mal wieder ins Spiel bringen und es neu interpretieren. Eine digitale Version wurde zum Beispiel noch nie entwickelt es gibt das CND-Logo nicht als Bewegtbild oder als dreidimensionale Animation. Das CND-Logo ist einfach ein statisches Ding, das seit langem nicht mehr angefasst wurde. Es wäre toll, es wiederzubeleben, aber ebenso spannend, ein komplett neues Logo zu etablieren, wie von der SCHIRN jetzt initiiert. Das ist eine gigantische Aufgabe, aber der Prozess ist wahnsinnig interessant.
SM: Aus rein gestalterischer Sicht gibt es sicher Moden. Können Sie aus den letzten Jahrzehnten Beispiele nennen?
BS: Zwei Strömungen fallen mir ein. Vor etwa 20 Jahren fingen viele Unternehmen an, ihre Logos dreidimensional darzustellen. Zum Beispiel das VW Logo: Es war nicht mehr flach, sondern plötzlich gewölbt und in schicken Materialien, also hochwertig, dargestellt. Diese Tendenz hielt etwa zehn Jahre an, dann kehrte sich die Entwicklung um. Viele dieser dreidimensionalen Logos sind wieder zweidimensional geworden. Das gleiche konnte man auf den Handyoberflächen beobachten. Die ersten grafischen Apple-Benutzeroberflächen waren haptisch, dreidimensional, mit Wölbung und Glanzlichtern. Mittlerweile hat sich wieder ein zweidimensionales Design – flat-design – und ein puristischer Stil durchgesetzt. Bald gibt es sicher wieder eine Gegenbewegung.
SM: Ist ein emotional aufgeladenes Logo bei politischen Bewegungen wichtiger als bei einem Produktlogo?
BS: Jedes Logo hat immer auch einen emotionalen Wert, und sei es der von Kälte. Die politischen Logos unserer bundesdeutschen Parteien z.B. sind nicht wahnsinnig sympathisch gestaltet, meistens einfach nur drei Buchstaben. Die Piratenpartei hat sich mehr getraut und eine Fahne integriert. Sofort wirkt das Logo / die Partei verspielter und nahbarer. Pauschalisieren kann man diesen Unterschied aber nicht. Bei Babynahrung, zum Beispiel, sind Werte wie Empathie und Vertrauen sehr wichtig und sollten durch ein Logo bereits zum Ausdruck gebracht werden.
SM: Zu guter Letzt, haben Sie ein Lieblingslogo?
BS: Mein Lieblingslogo ist das von Schalke 04.
SM: Herr von Scheven, vielen Dank für das Gespräch!