Solange es Kriege gibt, werden Filme davon erzählen. Die bewegten Bilder nähern sich dem grausamen Thema mal mit Humor, mal mit Dramatik. Ein Überblick auf dem SCHIRN MAG
Glaubt man dem französischen Medien- und Geschwindigkeitstheoretiker Paul Virilio, haben jegliche medientechnischen Entwicklungen ihren Ursprung in der Militär- und Kriegstechnologie. So beschreibt er die Kamera in seinem 1986 in Deutschland erschienenen Buch „Krieg und Kino“ als Fusion aus Auge, Motor und Waffe. Zielen, abfeuern, und das Bild ist auf Celluloid gebrannt, oder, in digitalen Zeiten, auf der Speicherkarte. Die heutige Drohnentechnik, die an Kriegsschauplätzen für Aufklärungsbilder sorgt, in Spiel- und Dokumentarfilmen jedoch für atemberaubende Kameraeinstellungen, macht Virilios Ausführungen mehr als greifbar.
All war movies are anti-war movies.
Der Film als künstlerisches Medium steht hier auf der guten Seite der Macht und wurde, seit er in den Kinderschuhen steckte, immer auch explizit als Friedensbotschafter genutzt. Bereits während des Ersten Weltkrieges entstanden Filme, die die Kampfhandlungen anklagten und für pazifistische Werte einstanden. Charlie Chaplin etwa stellte mit „Gewehr über“ von 1917 die Schrecken des Krieges mit überbordender Satire bloß. Leider hat die Geschichte des 20. Jahrhunderts gezeigt, dass der Mensch nicht eben aus seinen Fehlern lernt. Und so ist es kein Wunder, dass es mittlerweile zahlreiche Filme gibt (und geben muss), die sich des Themas Krieg um des Friedens willen annehmen.
Klassische Kriegs- bzw. Antikriegsfilme
Das Genre Kriegs- bzw. Antikriegfilm ist beinahe so alt wie das Kino selbst. In expliziten Bildern erzählen die Filme von den Kampfhandlungen, von grausamen Einzel- und Truppenschicksalen. Als Ikonografien des Wahnsinns klagen sie den Krieg an, wie beispielsweise einige amerikanische Klassiker verdeutlichen: In Lewis Milestones Antikriegsepos „Im Westen nichts Neues“ (1930) nach dem gleichnamigen Roman von Erich Maria Remarque werden die zunächst nationalistisch-euphorischen Figuren um Paul Bäumer in den Gräben des Ersten Weltkrieges von der grausamsten Wirklichkeit eingeholt.
Stanley Kubrick zeigt in „Full Metal Jacket“ (1987) bereits die Vorbereitung auf die Kampfhandlungen in Vietnam als menschenunwürdige Hölle, in der der gemobbte Leonard Lawrence alias Private Paula durchdreht und sich in der Toilette den Kopf wegschießt; und auch der höllische Ritt auf der Atombombe am Ende seines Satireklassikers „Dr. Seltsam. Oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben“ (1964) über den Kalten Krieg avancierte zu einer der bekanntesten Emphasen kriegerischen Wahnsinns. In seinem Meisterwerk „Apocalypse Now“ (1979) schickt Francis Ford Coppola einen Trupp auf direktem Weg ins Herz der Finsternis zu dem Wahnsinn in Persona, namentlich Colonel Walter E. Kurtz, gespielt von Marlon Brando, der mit seinem total verdrehten Weltbild im tiefsten vietnamesischen Dschungel über eine Schar Verrückte herrscht.
Der berühmte Walkürenritt
„All war movies are anti-war movies“, erklärte Coppola in einem Interview mit der Times. Dass es für eine solche Rezeptionshaltung allerdings auch einen vernunftbegabten Rezipienten braucht, zeigt eindrucksvoll Sam Mendes’ Film „Jahrhead – Willkommen im Dreck“ (2005): Hier wird nämlich Coppolas Klassiker zum Propagandawerkzeug, wenn der Trupp um Anthony „Swoff“ Swofford (Jake Gyllenhaal) den berühmten, von Richard Wagners „Walkürenritt“ begleiteten Helikopter-Angriff frenetisch feiert.
Viele der genannten Filme behandeln mal mehr, mal weniger auch das Trauma nach der Rückkehr aus den Kampfgebieten als Teil der klassischen Erzählstruktur Ausbildung-Kampfhandlung-Rückkehr. Die Rückkehrer werden meist gezeichnet als nicht mehr gesellschaftsfähige, emotionale Krüppel. Man denke etwa an „Die durch die Hölle gehen“ (1978), in dem Michael (Robert De Niro) sogar noch einmal freiwillig nach Vietnam zurückkehrt. Gerade Anfang des Jahres erschien mit Ang Lees „Die irre Heldentour des Billy Lynn“ ein Film, der diese Struktur originell variiert: Der aus dem Irakkrieg zurückgekehrte Billy und seine Kameraden werden in einer absurden Siegestour gefeiert, quasi ein mediales Pflaster für das Trauma einer Nation. Höhepunkt ist ein Auftritt der acht Soldaten in der Halbzeitshow eines Footballspiels. Mit teilweise satirischer Überspitzung und Flashbacks in Kampfsituationen wird das Trauma von Billy, der wie in Trance dem Medienspektakel beiwohnt, greifbar. „Es ist irgendwie seltsam, für den schlimmsten Tag seines Lebens geehrt zu werden“, sagt er einmal.
Film im Dienst des friedlichen Miteinanders
Komplett auf das Danach konzentriert sich Oren Mormann 2009 in „The Messenger“, indem er das Augenmerk auf die drastischen Leerstellen legt, die Kriege in die Lebenswirklichkeit der Angehörigen reißen: Mormann erzählt ohne viel Pathos die Geschichte des Kriegshelden Will (Ben Foster), der die letzten drei Monate seines Militärdienstes beim „Casualty Notification Team“ ableisten und gemeinsam mit Tony (Woody Harrelson) den Angehörigen die Nachricht vom Tod ihrer Liebsten überbringen muss. Deren Reaktionen, die von sachlicher Nüchternheit über Tränenausbrüche bis hin zu Angriffen auf die „Todesengel“ reichen, sind Spiegel des Nachkriegsleids. Das aufrührende Drama wurde 2009 mit dem Friedensfilmpreis der Berlinale gewürdigt. Der Preis wurde im UNO-Jahr des Friedens 1986 von der Berliner Friedensgruppe gestiftet und zeichnet seither auf den Filmfestspielen Werke aus, die „die ästhetischen Mittel des Films in besonderer Weise in den Dienst des friedlichen Miteinanders und des sozialen Engagements“ stellen.
Ein in ästhetischer Hinsicht außergewöhnliches Beispiel ist „Waltz with Bashir“ (2008) des israelischen Regisseurs Ari Folmann. Dabei handelt es sich nämlich um einen Zeichentrickfilm, in dem Folmanns gleichnamiger Alter Ego versucht, seine Beteiligung an einem Einsatz während des Libanonkriegs zu rekonstruieren, den er verdrängt hat. Der Regisseur war selbst als Soldat während des ersten Libanonkriegs im Einsatz, sein Film basiert auf realen Geschehnissen. Zeichentrick-Folmann findet schließlich heraus, dass er und seine Kameraden durch das Abfeuern von Leuchtgranaten indirekt ein Massaker unterstützt haben. In diese abstrahierte, aber nichtsdestotrotz sehr intensive Zeichentrickwelt bricht buchstäblich der reale Schrecken ein, als gegen Ende Dokumentarfilmaufnahmen von den beim Massaker von Sabra und Schatila Ermordeten gezeigt werden.
Dokumentarfilme für den Frieden
Der Dokumentarfilm spielt von Haus aus mit anderen Mitteln als der fiktive Film, da keine Fiktion dazwischengeschaltet ist, sondern der Umgang mit Zeit- und Augenzeugen Authentizität artikuliert: Ja, dieser Schrecken existiert wirklich, ist Teil unserer Realität! In besonderer Weise tut dies Joshua Oppenheimers ebenfalls mit dem Friedenspreis ausgezeichneter Dokumentarfilm „The Look of Silence“(2014) über den Genozid, den das Militär und Privatmilizen 1965/66 in Indonesien verübten und dem mindestens eine halbe Millionen angeblicher Kommunisten zum Opfer fielen. Darin interviewt der Optiker Adi Rukun, dessen Bruder bei dem Massaker umkam, Täter von damals, die nie zur Rechenschaft gezogen wurden und teilweise hohe Ämter bekleiden. Der Film wurde trotz Behinderungen etliche Male in Indonesien aufgeführt und diskutiert und trägt aktiv dazu bei, eine lange totgeschwiegene Leerstelle in der Landesgeschichte auf den Tisch zu bringen. Bereits 2012 beschäftigte sich Oppenheimer in dem ebenfalls äußerst eindringlichen „The Act of Killing“ ausschließlich mit den Tätern des Genozids und ließ sie in teils aufwühlenden Re-Enactments ihre grausamen Taten nachspielen.
So lange es weiter Kriege in der Welt gibt, wird es auch Filme geben, die davon erzählen. Und auch wenn der Film nicht direkt die Welt verändern kann, besitzt er, wie andere Kunstwerke auch, die Kraft, anzuklagen, unsere Augen zu öffnen und zu zeigen, was nicht sein darf.