Am 8. April beginnt die documenta 14 in Athen. Das SCHIRN MAG erklärt, was man wissen muss und gesehen haben sollte. Und was man von zu Hause miterleben kann.
Die documenta startet in diesem Jahr früher als sonst, und zwar in Athen. Bereits in den vergangenen Ausgaben hatte die größte Ausstellung für zeitgenössische Kunst weltweit an anderen Orten Station gemacht. 2002 unter der Leitung von Okwui Enwezor etwa in Wien, Berlin, Neu Delhi, St. Lucia, Freetown, Johannesburg, Kinshasa und Lagos. 2012 dann unter der Leitung von Carolyn Christov-Bakargiev in Kabul, Kairo und Banff. Der diesjährige Leiter Adam Szymczyk geht nun einen Schritt weiter, erstmals soll nun Athen gleichberechtigt Standort sein.
„Von Athen lernen“ heißt das Motto der documenta 14. Adam Szymczyk zufolge, geht es insbesondere um Strategien des Widerstands und des sozialen Ungehorsams, wie er im Finanzkrisen-gebeutelten Griechenland und insbesondere in Athen immer wieder aufscheint. Dazu passt auch das klug gewählte Logo, eine Eule mit schiefgelegtem Kopf. Es geht um kritische Perspektiven. Das Motto wurde inzwischen mit dem Zusatz „working title“ versehen. Dieser Zusatz kann sowohl im Sinne eines „work in progress“ verstanden werden, als auch als „arbeitender Titel“ der sozusagen Wirkung zeigt.
Zentrale Ausstellungsorte
Intellektuelle Arbeit wird also auf jeden Fall gefragt sein, aber auch Arbeit im ganz physischen Sinne. Wer es gewohnt ist nach Kassel zu fahren, von Frankfurt nur ein Katzensprung, muss diesmal in ein Flugzeug steigen und sich neu orientieren, um die unzähligen Orte zu finden, an der die Athener documenta stattfinden wird. Dazu gehören laut einer kürzlich erschienenen Ankündigung Museen, Kinos, Theater, Bibliotheken, Archive, Schulen, Fernsehen und Radio, universitäre Auditorien, öffentliche Plätze, Straßen, Clubs, Parks und Wege sowie Wohnhäuser.
Die zentralen Anlaufstellen sind das EMST – Nationales Museum für Zeitgenössische Kunst, dessen Bestände voraussichtlich teilweise im Kasseler Fridericianum gezeigt werden. Ein weiterer Ausstellungsort wird die Hochschule der Bildenden Künste Athen (ASFA) sein sowie dessen Schwesterinstitution im Geiste, das Athener Konservatorium. Ein weiterer musealer Standort wird das Benaki Museum sein, ein bedeutendes Museum für griechische Kunst aller Epochen mit einer umfassenden Sammlung außereuropäischer Kunst.
Was erwartet BesucherInnen?
Die Eröffnungstage vom 8. April bis zum 16. April sind vollgepackt mit Performances und Events. Sie werden an zahlreichen Orten in und um die Stadt herum stattfinden. Dazu kommen Ausstellungen an mindestens vier Orten. Zum Eröffnungsprogramm gehört ein „Kollektiv gesprochener Akt“ geleitet von Sanja Iveković auf dem öffentlichen Avdi-Platz, „Kochen und Essen“ auf dem Kotzia-Platz mit Rasheed Araeen und zahlreiche Tanz- und Filmvorführungen. Double Feature-Fans könnten eine alte Bekannte wiedersehen, bei der Performance von Nevin Aladag im Athener Konservatorium. Ihre Arbeit trägt den Titel „Music Room“.
Ein spektakuläres Projekt mit dem Titel „The Transit of Hermes“, konzipiert von Ross Birrell, wird am 9. April beginnen. Es ist ein hundert Tage dauernder Wanderritt zu Pferd, quer durch Europa, von Athen nach Kassel. Die Verbindung der beiden Städte, die Überwindung von Grenzen, ist nicht nur eine tour de force zu Pferde, sondern auch ein symbolischer Akt. Ebenso bemerkenswert ist die erstmalige und überfällige Würdigung des im vergangenen Jahr verstorbenen Fluxus-Künstlers Ben Patterson durch eine documenta. Eine vollständige Liste der teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler wird es wohl erst am Eröffnungstag geben.
Athen von zu Hause
Wer vorerst nicht nach Athen fliegen kann und sich dennoch gerne auf die documenta einstimmen möchte, sollte einen Blick in die Zeitschrift „South as a State of Mind“ werfen. Das griechisch-internationale Magazin wurde von der documenta für vier Ausgaben gekapert und dient nun als diskursives Leitmedium der Ausstellung. Das Magazin soll ein „Ort der Recherche, der Kritik, der Kunst und Literatur“ sein. Es enthält teilweise reich bebilderte Artikel vielfältiger Couleur von den unterschiedlichsten Autorinnen und Autoren auf teils sehr anspruchsvollem theoretischen Niveau. Individuelle Blickwinkel kommen ebenso zum Zug wie postkoloniale Perspektiven auf historische und aktuelle Entwicklungen unserer Zeit.
Auch ein Fernsehsender wurde gewonnen. Der öffentliche griechische Sender ERT wird ein wöchentliches Kunstfilmprogramm mit dem Titel "Keimena" zeigen. Die Kommentare sind in griechischer Sprache, mit deutschen und englischen Untertiteln. Das Programm wird voraussichtlich für sieben Tage nach der jeweiligen Sendung online abrufbar sein. Die Intention ist es, ein breiteres Publikum zu erreichen, ganz im Geiste der Kunst der 1960er-Jahre. Zudem wird es einige Radiosendungen geben.
Für später-Entschlossene könnte es ein wertvoller Hinweis sein, dass während der etwa fünfwöchigen Überschneidungszeit der beiden Ausstellungen in Athen und in Kassel, Aegean Airlines Direktflüge von Kassel nach Athen anbietet.
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