In der Ausstellung „Erró. Porträt und Landschaft“ gibt es viel zu entdecken. Unter anderem das „French Comicscape“ mit den weltberühmten Comic-Helden Tim und Struppi. Die fantastischen Geschichten hat jetzt auch Steven Spielberg entdeckt.
Wer aufmerksam durch die SCHIRN-Ausstellung „Erró. Porträt und Landschaft“ geht, dem wird nicht entgehen, dass der isländische Künstler Erró eine besondere Beziehung zum Comic hat. Schon im Foyer der SCHIRN hängt ein riesiges Bild des Marvel-Superhelden „Silver Surfer“. In der Ausstellung selbst ist in den „Scapes“ noch weitaus mehr aus der wunderbaren Welt der Comics zu entdecken. Dem französischen Comic hat Erró, der seit 1958 in Paris lebt, mit „French Comicscape“ eine ganz eigene dieser großformatigen Pop Art-Collagen gewidmet. In dem 1985 entstandenen Bild, das mosaikartig die verschiedensten französischen Comicfiguren abbildet, findet sich an mehreren Stellen die berühmte „ligne claire“ wieder.
Es ist der klare Zeichenstil des belgischen Zeichners Hergé (mit bürgerlichen Namen Georges Prosper Remi), der diesen Begriff prägte. Von 1929 bis zu seinem Tod im Jahr 1983 zeichnete Hergé die weltbekannten „Abenteuer von Tim und Struppi“ (in der französischen Originalversion „Les aventures de Tintin“). Er brachte 25 Comicalben heraus, die von den Detektivgeschichten des jungen Reporters Tim und seinem Hund Struppi erzählen, die mit Hilfe wiederkehrender Figuren (wie dem fluchenden Kapitän Haddock, den Brüdern Schulze und Schultze und Professor Bienlein) auf abenteuerlichen Reisen durch die Welt – und manchmal auch den Weltraum – Fälle lösten.
Schon früh gab es Versuche, die erfolgreiche Comicserie für das Kino zu adaptieren. Außerdem wurden eine Reihe von Trickfilmen zu einzelnen der erschienenen Comicbände produziert. Doch erst Jahrzehnte nach Hergés Tod kommt der Film in die Kinos, zu dem er Steven Spielberg noch zu Lebzeiten die Filmrechte anvertraute.
Verfilmung durch Steven Spielberg
Die Verfilmung „Die Abenteuer von Tim und Struppi – Das Geheimnis der Einhorn“ transportiert allerdings nicht die klare Linie Hergés auf die Leinwand, sondern lediglich die Geschichte des gleichnamigen Comicalbums. Dazu wählte Spielberg die 3D-Technik. Hergés ohnehin temporeiche Panels erreichen so auf der Leinwand eine atemberaubende Geschwindigkeit. Das mag ein Gewinn sein, doch andererseits lässt es vermissen, was charakteristisch für diese Detektivgeschichten mit trockenem Humor war.
In der Erzählung „Das Geheimnis der Einhorn“ aus dem Jahr 1943 sucht Tim mit seinem Hund Struppi nach einem Schatz, der sich auf einem versunkenen Schiff befindet, doch dazu braucht er die Hilfe des Kapitäns Haddock, der den Fluch seiner Familie auflösen muss. Der Schatz, das sind „vier Zentner Gold, Schmuck und Edelsteine“, die der Reporter, sein Vierbeiner und der dauerbetrunkene Kapitän Haddock aufzuspüren versuchen.
Hergés Geschichten sind fast märchenhaft altmodisch, folglich finden auch in Spielbergs Verfilmung die Verfolgungsjagden auf Piratenschiffen, Segelflugzeugen und Motorrädern mit Beiwagen statt. Die Kamerafahrten bieten viel Bewegung und Abwechslung und dank der Computertechnik einige wirklich tolle Bilder. Hergés Figuren sind Actionhelden. Einzig ihr Aussehen bleibt fremd. Da ist weder der wohlbekannte Tim, für dessen waches Gesicht in der gezeichneten Version nur wenige Striche ausreichten, noch der Schauspieler Jamie Bell zu finden. Die Schauspieler dienten als Vorbild für die animierten Figuren, die in manchen Momenten etwas seelenlos wirken. Einzig ihre extreme Knollennase, die bis auf einige wenige Ausnahmen alle Figuren verpasst bekommen haben, erinnert regelmäßig daran, dass es sich um eine Comic-Adaption handelt.
„Hunderttausend heulende Höllenhunde“
In einigen Szenen kann der Film Hergés Vorlage ergänzen. Wenn die Opernsängerin Bianca Castafiore mit ihrem Koloratursopran alle Gläser zum Zerspringen bringt, heftiger Seegang unter Deck herrscht oder wenn per Zündschnur eine Explosion gelegt wird. Das junge Kinopublikum, das „Tim und Struppi“ möglicherweise gezeichnet gar nicht kennt, wird den Film sicher mögen, nicht zuletzt wegen der Piraten, die eine tragende Rolle spielen. Es wundert nicht, dass Hergés zeitloses Abenteuer auch auf der Leinwand funktioniert. Das Ende lässt vermuten, dass Regisseur Steven Spielberg und Produzent Peter Jackson es nicht bei diesem einen Film belassen wollen. Ob die Abenteuer von Tim und Struppi im Kino genauso Furore machen, wie seit mehr als 80 Jahren als Comicheft, bleibt abzuwarten. Hauptsache Kapitän Haddock ist wieder dabei, ob nüchtern oder nicht. Hoffentlich darf er dann so oft er will aus vollem Halse „Hunderttausend heulende Höllenhunde“ rufen und nicht immer nur „Makrelenschiet“. Denn wenn uns Hergés Comics eins gelehrt haben, ist es das Fluchen nach alter Manier.